Streit über Wirksamkeit einer außerordentlichen und hilfsweise ordentlichen Kündigung, LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 28.04.2021 – 23 Sa 1629/20

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Potsdam vom 25. Juni 2020 – 2 Ca 815/19 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer außerordentlichen und hilfsweise ordentlichen Kündigung.

Der am …1983 geborene Kläger, der verheiratet ist, war aufgrund Arbeitsvertrages vom 05.01.2016 seit dem 06.01.2016 als Vollbeschäftigter mit einer Eingruppierung in die Entgeltgruppe 9 TV-L beim beklagten Land, dort beim IT-Dienstleister des Landes (nachfolgend: ZIT), als Field Engineer am Standort Gransee vollzeitig gegen eine monatliche Vergütung von 3.345,73 EUR brutto beschäftigt. Dem Arbeitsverhältnis der Parteien ging eine selbständige Tätigkeit des Klägers für das beklagte Land seit Ende 2012 voraus. Zu den Aufgaben des Klägers gehörten der mAPC-Support, der Second-Level-Service und der Endgeräte-Service für die Brandenburgische A.

Bei der Entsorgung von IT-Geräten aus dem Bereich der A ist wegen der enthaltenen geheimhaltungsbedürftigen Daten die Festplatte auszubauen und zur Vernichtung einem Spezialunternehmen zu übergeben. Die Hardware wird über das Entsorgungsunternehmen B entsorgt, das diese Dienstleistung kostenlos anbietet. Zu den Aufgaben des Klägers gehörte auch der Ausbau der Festplatten und die Entsorgung der Hardware bei der Firma B.

Der Kläger beantragte bei dem beklagten Land die Genehmigung einer Nebentätigkeit als IT-Berater im Umfang von 3 bis 4 Stunden wöchentlich, wobei er als Gegenstand seiner Beratungsleistungen die Nutzer- und Hardwarebetreuung außerhalb des öffentlichen Dienstes angab. Das beklagte Land erteilte die beantragte Nebentätigkeitsgenehmigung am 20.05.2016. Der Kläger unterhält ein IT-Beratungsunternehmen, das unter it-service-… firmiert und unter diesem Namen bei der Plattform C als gewerblicher Verkäufer angemeldet ist. Ausweislich eines von dem beklagten Land zur Akte gereichten Ausdrucks von drei Seiten der Plattform C vom 27.08.2019 bot der Kläger im Zeitraum eines Jahres vor diesem Datum insgesamt etwa 600 Artikel zum Verkauf an oder kaufte sie selbst über die Plattform.

Aus den zur Entsorgung bei der B bestimmten Geräten entfernte der Kläger – nach ordnungsgemäßem Ausbau der Festplatten – zwei Netzteile sowie ein DVD-Laufwerk/Brenner und bot diese unter seinem C-Account it-service-… zu einem Verkaufswert von insgesamt etwa 40 EUR zum Verkauf an. Zwischen den Parteien ist streitig, ob der Kläger ausschließlich diese drei zum Verkauf angebotenen Hardware-Komponenten des beklagten Landes auf seinem C-Account zum Verkauf anbot oder ob auch weitere von ihm zum Verkauf angebotenen Hardware-Komponenten aus den zur Entsorgung vorgesehenen Beständen des beklagten Landes stammten.

Der Gebietsleiter des beklagten Landes Herr D erlangte am 05.04.2019 Kenntnis davon, dass der Kläger beim Ausbau von Hardware-Komponenten aus zu entsorgenden Geräten gesehen worden sei und auf C Hardware-Komponenten zum Verkauf anbot. Er informierte darüber mit Vermerk vom 08.04.2019 den Ersten Geschäftsführer des ZIT und bat mit E-Mail vom 09.04.2019 die von dem beklagten Land regelmäßig beauftragte Firma E um Prüfung, ob bestimmte im C-Account des Klägers angebotenen Hardware-Komponenten aufgrund der Seriennummern und Bezeichnungen rückverfolgt und eindeutig den mit Seriennummern bezeichneten Endgeräten der Brandenburgische A zugeordnet werden könnten. Mit E-Mail vom 02.05.2019 teilte die Firma E dem ZIT mit, bei den beiden Netzteilen und dem DVD-Laufwerk/Brenner sei eine Zuordnung zu im Einzelnen bezeichneten Endgeräten erfolgt, die nach Nutzung durch die Brandenburgische A zur Entsorgung vorgesehen waren.

Das beklagte Land lud den Kläger am 06.05.2019 telefonisch zu einem Personalgespräch am 07.05.2019 unter Hinweis auf den Vorwurf des Verkaufs von Hardware-Komponenten des Landes ein. In dem Personalgespräch am 07.05.2019, an dem neben dem Kläger ein Personalratsmitglied, die Personalreferentin, der Gebietsleiter Herr D und ein weiterer Mitarbeiter des ZIT teilnahmen, räumte der Kläger den Ausbau der zwei Netzteile und des DVD-Laufwerks/Brenner vor der Entsorgung der Hardware an die B sowie das Angebot dieser drei Hardware-Komponenten auf seinem C-Account ein. Das beklagte Land kündigte dem Kläger eine außerordentliche Kündigung an und bot alternativ einen Aufhebungsvertrag zum 31.05.2019 an, den der Kläger ablehnte.

Mit Schreiben vom 09.05.2019, dem der Gesprächsvermerk vom 07.05.2019 und ein Begründungsschreiben vom 08.05.2019 beigefügt waren, bat das beklagte Land den Personalrat um Mitwirkung bei der beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Klägers und um Mitbestimmung bei der beabsichtigten hilfsweise ordentlichen Kündigung des Klägers und gab mit denselben Unterlagen der Gleichstellungsbeauftragten Gelegenheit zur Stellungnahme. Auf den Inhalt des Anhörungsschreibens vom 09.05.2019 nebst beiden Anlagen wird Bezug genommen (Bl. 71 f., 69 f. und 73 ff. d. A.). Die Gleichstellungsbeauftragte stimmte beiden Maßnahmen am 10.05.2019 zu, der Personalrat erklärte im Mitbestimmungsverfahren zur ordentlichen Kündigung und im Mitwirkungsverfahren zur außerordentlichen Kündigung jeweils am 13.05.2019 seine Zustimmung zu den beabsichtigten Maßnahmen.

Das beklagte Land kündigte das Arbeitsverhältnis des Klägers mit Schreiben vom 15.05.2019, dem Kläger am selben Tag zugegangen, außerordentlich sowie hilfsweise ordentlich zum 30.06.2019. Gegen diese Kündigung hat sich der Kläger mit Klageschrift vom 04.06.2019, am selben Tag bei Gericht eingegangen und dem beklagten Land am 06.06.2019 zugestellt, gewandt.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, beide Kündigungen scheiterten bereits daran, dass er keinen Pflichtverstoß begangen habe, indem er die beiden Netzteile und das DVD-Laufwerk aus der zu entsorgenden Hardware entnommen und nachfolgend zum Verkauf angeboten habe. Beim ZIT sei es gängige Praxis gewesen, dass ausgemusterte Hardware-Komponenten nicht vollständig verschrottet, sondern privat verwertet würden. Der dem Kläger vorgesetzte Sachgebietsleiter Herr F habe ihn nicht darauf hingewiesen, dass der Ausbau und private Verkauf von Hardware-Komponenten unzulässig sei. Vielmehr habe Herr F selbst einen ausgesonderten Drucker des ZIT mit nach Hause genommen und habe nicht verbrauchte Tonerpatronen aus zu entsorgenden Druckern ausgebaut und mitgenommen. Weiter habe er kistenweise Kabel von Steckern getrennt und an Altmetallhändler verkauft und einem ehemaligen Arbeitnehmer mehrere ausgesonderte Laptops des ZIT geschenkt. Soweit das beklagte Land dies im hiesigen Verfahren bestreite, sei das Vorbringen zur angeblich dienstlichen Nutzung der Komponenten und des Geräts unglaubwürdig. Zur Entnahme der drei Hardware-Komponenten und zu deren privatem Verkauf sei er im Übrigen berechtigt gewesen, da das beklagte Land mit der Freigabe der Hardware zur Entsorgung das Eigentum daran aufgegeben habe. Insoweit habe der Kläger die Hardware als herrenlose Gegenstände als neuer Eigentümer an sich genommen und habe entsprechend damit verfahren können. Für das beklagte Land hätten die drei Hardware-Komponenten angesichts der beabsichtigten Entsorgung keinerlei Wert mehr gehabt. Soweit das beklagten Land Mutmaßungen darüber angestellt habe, dass er über die drei zum Verkauf angebotenen Hardware-Komponenten hinaus weitere den Beständen des ZIT entstammende Hardware an sich gebracht habe, seien diese Vorwürfe haltlos und unzutreffend. Er habe mit Ausnahme der drei Hardware-Komponenten keinerlei Hardware oder deren Komponenten aus Beständen des beklagten Landes ausgebaut, an sich genommen oder verkauft. Der von ihm vorgenommene C-Handel mit Hardware-Komponenten gehöre zu seiner als Nebentätigkeit genehmigten IT-Beratung und erfolge im Rahmen der genehmigten Nebentätigkeit, ohne dass dadurch die Interessen des beklagten Landes berührt seien. Ein Arbeitszeitbetrug sei mit dem Ausbau der drei Hardware-Komponenten aus den zu entsorgenden Geräten nicht verbunden, da dieser Ausbau innerhalb von insgesamt etwa 12 Sekunden während der Wartezeit beim Entsorgungsunternehmen B erfolgt sei. Soweit eine Pflichtverletzung vorliege, sei eine Abmahnung nicht entbehrlich gewesen, da er aufgrund des Verhaltens seines Vorgesetzten von einer Tolerierung durch das beklagte Land habe ausgehen und annehmen dürfen, dass er berechtigt sei, die drei Komponenten an sich zu nehmen. Im Falle der Erteilung einer Abmahnung hätte er sein Verhalten sofort geändert und nicht wiederholt. Die Personalratsanhörung sei nicht ordnungsgemäß erfolgt, da der Personalrat mit der Behauptung falsch informiert worden sei, der Kläger habe regelmäßig und gewerblich Hardware des beklagten Landes verkauft. Die hilfsweise ordentliche Kündigung scheitere, wie die außerordentliche Kündigung, am Fehlen einer Pflichtverletzung und an der Verhältnismäßigkeit.

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die fristlose außerordentliche Kündigung noch durch die hilfsweise ordentliche Kündigung des beklagten Landes vom 15. Mai 2019 aufgelöst ist.

Das beklagte Land hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es ist davon ausgegangen, dass es sich bei dem unerlaubten Ausbau von Hardware- Komponenten und deren eigennützigem Verkauf um eine schwerwiegende schuldhafte Pflichtverletzung im Hinblick auf ein Eigentumsdelikt zulasten des beklagten Landes und im Hinblick auf einen massiven Vertrauensbruch wegen des Eingriffs in das Eigentum des beklagten Landes zum Zwecke der eigenen Bereicherung handele. Der Sachgebietsleiter F habe den Kläger zuletzt im September 2019 auf die ordnungsgemäße und fachgerechte Entsorgung von Festplatten und Hardware hingewiesen und insbesondere erklärt, es dürften keine Hardwareteile demontiert werden. Er habe dem Kläger ebenfalls mehrfach erklärt, dass ausgesonderte IT-Technik nicht privat gebraucht werden dürfe. Herr F selbst habe keinerlei Geräte oder Hardware-Komponenten des beklagten Landes privat genutzt oder verwertet. Einen ausgesonderten Drucker habe er für den dienstlichen Gebrauch von zu Hause aus unter Nutzung einer Remote-Verbindung verwendet, ausgebaute Tonerpatronen habe er dienstlich weiterverwendet. Kabel habe er entweder für die dienstliche Weiterverwendung oder für den Werkstoffhof vorsortiert, ohne eine private Veräußerung vorzunehmen. Dem verrenteten ehemaligen Mitarbeiter habe er kein Gerät des beklagten Landes geschenkt. Bei dem Ausbau der Hardware-Komponenten aus den zu entsorgenden Geräten während der Arbeitszeit habe der Kläger einen Arbeitszeitbetrug begangen, der ebenfalls als außerordentlicher Kündigungsgrund herangezogen werde. Dasselbe gelte für den gewerbsmäßigen Verkauf von Hardware-Komponenten über C, wobei es sich um eine nicht genehmigte Nebentätigkeit des Klägers handele, die nicht durch die genehmigte IT-Beratung abgedeckt sei. Schließlich bestehe der Verdacht, dass der Kläger nicht nur die drei unstreitig ausgebauten und zum Verkauf angebotenen Hardware-Komponenten an sich gebracht habe, sondern augenscheinlich seit Ende 2017 systematisch vorgehe und Hardware-Komponenten sowie zwei ganze Laptops aus den ausgesonderten Beständen des beklagten Landes über seinen C-Account zum Verkauf angeboten habe. Eine Abmahnung des Klägers sei im Hinblick auf die Eigentumsverletzung des beklagten Landes entbehrlich, da deren Hinnahme ersichtlich ausgeschlossen gewesen sei. Eine Interessenabwägung sei durchgeführt worden mit dem Ergebnis, dass die Erheblichkeit der Verletzungshandlungen trotz ausdrücklicher Hinweise des beklagten Landes und auch unter Berücksichtigung der kurzen Dauer des Arbeitsverhältnisses dazu führten, dass das Interesse des beklagten Landes an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses deutlich überwiege. Die 2-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 Bürgerlicher Gesetzbuch (BGB) sei gewahrt, da das beklagte Land unverzüglich nach Kenntniserlangung von den Verdachtsmomenten am 09.04.2019 den Rechercheauftrag an die Firma E erteilt und nach Vorlage des Ergebnisses am 02.05.2019 umgehend die Kündigung eingeleitet und vorbereitet habe. Das Ergebnis des Personalgesprächs am 07.05.2019 habe insoweit die Rechercheergebnisse der Firma E hinsichtlich der drei Hardware-Komponenten bestätigt. Der Personalrat sei ordnungsgemäß beteiligt worden und habe erkennen können sowie tatsächlich erkannt, dass der Ausbau und die Verwertung der drei Hardware-Komponenten durch den Kläger maßgeblich für die Kündigungsentscheidung gewesen seien.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und die außerordentliche Kündigung des beklagten Landes für wirksam erachtet. Zwar rechtfertigten weder ein etwaiger Arbeitszeitbetrug des Klägers noch eine ggf. verbotene Nebentätigkeit die außerordentliche Kündigung, das zulasten des beklagten Landes begangene Eigentumsdelikt des Klägers durch den Ausbau und die Verwertung der Hardware-Komponenten sei jedoch als außerordentlicher Kündigungsgrund geeignet. Das beklagte Land könne als Eigentümer der zu entsorgenden Hardware allein über deren Entsorgung oder Verwertung entscheiden und habe eine entsprechende Entscheidung zur Entsorgung getroffen. Im Verhalten des Klägers liege ein Eingriff in die Eigentümerstellung des beklagten Landes, der trotz der Geringwertigkeit der ausgebauten Hardware-Komponenten als außerordentlicher Kündigungsgrund genüge. Von einer ordnungsgemäßen Personalratsanhörung könne ausgegangen werden, da sich die Anhörung auf die Verwertung der drei konkret benannten Hardware-Komponenten als Kündigungsgrund bezogen habe und die Hinweise des beklagten Landes auf einen möglicherweise erheblich größeren Umfang der Pflichtverletzungen nicht als außerordentlicher Kündigungsgrund angegeben worden seien.

Gegen dieses am 25.06.2020 verkündete und dem Kläger am 04.12.2020 zugestellte Urteil wendet er sich mit der am 21.12.2020 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Berufung, die er – nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 25.02.2021 – mit einem am 25.02.2021 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet hat.

Der Kläger geht unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags weiter davon aus, bei dem Ausbau und Verkauf der drei Hardware-Komponenten liege keine Pflichtverletzung vor, weil ein solches Verhalten üblich gewesen sei und Herr F sich ähnlich verhalten habe. Deshalb habe der Kläger annehmen dürfen, das beklagte Land werde sein Verhalten nicht zum Anlass für eine Kündigung nehmen, zumal kein klares Verbot der Mitnahme und Verwertung zu verschrottender Hardware ausgesprochen worden sei. Sofern eine Pflichtverletzung vorliege, sei eine Abmahnung ggf. die angemessene Reaktion und nicht entbehrlich gewesen. Die Frist des § 626 Abs. 2 BGB sei nicht nachvollziehbar gewahrt, da das beklagte Land angegeben habe, bereits am 08.04.2019 Kenntnis davon gehabt zu haben, dass der Kläger die drei ausgebauten Hardware-Komponenten aus Beständen des beklagten Landes ausgebaut und nachfolgend zum Verkauf angeboten habe. Es sei nicht nachvollziehbar, wann und aus welchen Gründen die Firma E einen Rechercheauftrag erhalten und erst am 02.05.2019 ein Ergebnis vorgelegt habe. Die Personalratsanhörung sei nicht ordnungsgemäß erfolgt, da das beklagte Land seine Kündigung allein auf Ausbau und Verwertung der drei Hardware-Komponenten stütze, gegenüber dem Personalrat aber angegeben habe, der Kläger habe über einen langen Zeitraum und in erheblichem Umfang Hardware des beklagten Landes für sich verwertet. Damit habe das beklagte Lande dem Personalrat unzutreffende Tatsachen als Grundlage der beabsichtigten Kündigung mitgeteilt. Darüber hinaus habe das beklagte Land unzutreffend gegenüber dem Personalrat angegeben, dass der Kläger Geheimhaltungspflichten verletzt und Daten preisgegeben habe, obwohl er unstreitig die Festplatten ordnungsgemäß entsorgt habe und er tatsächlich mit Ausnahme der drei Hardware-Komponenten nichts und insbesondere keine Laptops des beklagten Landes an sich genommen habe. Bei der Interessenabwägung sei zugunsten des Klägers zu berücksichtigen, dass die drei Hardware-Komponenten objektiv geringwertig und für das beklagte Land wegen der beschlossenen Entsorgung vollständig wertlos gewesen seien. Weiter sei zu berücksichtigen, dass der Kläger im Falle eines entsprechenden Hinweises des beklagten Landes sein Verhalten umgehend geändert und eingestellt hätte.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgericht Potsdam vom 25. Juni 2020 – 2 Ca 815/19 – abzuändern und festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die seitens des beklagten Landes erklärte Kündigung vom 15. Mai 2019 weder fristlos und außerordentlich noch hilfsweise ordentlich aufgelöst worden ist.

Das beklagte Land beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Es verteidigt die arbeitsgerichtliche Entscheidung und hält an seinem erstinstanzlichen Vortrag fest. Kündigungsvorwurf sei der Ausbau und die Verwertung durch Angebot zum Verkauf der drei Hardware-Komponenten. Die vom Kläger gegenüber Herrn F erhobenen und wiederholten Vorwürfe seien substanzlos und unzutreffend. Auf den Wert der drei Hardware-Komponenten komme es nicht an, da maßgeblich die Anmaßung einer Eigentümerstellung durch den Kläger sei. Im Übrigen seien ausdrückliche Hinweise durch Herrn F darauf erfolgt, dass eine private Verwertung entsorgter Hardware unzulässig sei. Selbst ohne einen solchen Hinweis sei dies offensichtlich. Dies gelte auch dann, wenn entsprechend der vom beklagten Land bestrittenen Behauptung des Klägers Herr F oder andere Arbeitnehmer ebenfalls unzulässigerweise zu entsorgende Hardware privat verwertet hätten. Die 2-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB sei gewahrt, da nach Vorliegen erster Anhaltspunkte im April 2019 eine Zuordnung der vom Kläger zum Verkauf angebotenen Hardware-Komponenten zu den Endgeräten des beklagten Land habe geklärt werden müssen. Dies sei nach Vorliegen der Rechercheergebnisse der am 09.04.2019 beauftragten Firma E am 02.05.2019 hinreichend wahrscheinlich gewesen und habe nach dem Personalgespräch am 07.05.2019 festgestanden. Die Anhörung des Personalrats sei zutreffend und ordnungsgemäß erfolgt. Eine Irreführung habe durch den Hinweis auf die erforderliche Einhaltung der Datensicherheit nicht vorgelegen, da solche Daten bei dem mutmaßlich ebenfalls erfolgten Verkauf ganzer Laptops des beklagten Landes eine Rolle spiele. In diesem Zusammenhang sei der Hinweis erfolgt, obwohl das beklagte Land die Kündigung auf die Verwertung der drei Hardware-Komponenten gestützt habe und auch nur dieser Umstand für den Personalrat bei seiner Entscheidung über die Zustimmung zu den beabsichtigten Maßnahmen relevant gewesen seien.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird auf den Schriftsatz des Klägers vom 25.02.2021 (Bl. 382 ff. d. A.) und den Schriftsatz der Beklagten vom 19.04.2021 (Bl. 448 ff. d. A.) Bezug genommen.

Gründe

I.

Die gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 und 2 Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG) statthafte Berufung des Klägers ist form– und fristgerecht gemäß §§ 64 Abs. 6 S. 1, 66 Abs. 1 Satz 1 und 2 ArbGG, 519520 Zivilprozessordnung (ZPO) eingelegt und begründet worden. Sie ist damit zulässig.

II.

In der Sache hat die Berufung des Klägers jedoch keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist gemäß § 626 Abs. 1 BGB durch die außerordentliche Kündigung des beklagten Landes vom 15.05.2019 wirksam zum 15.05.2019 aufgelöst worden. Durch den Ausbau der drei Hardware-Komponenten aus zu entsorgenden IT-Geräten der Brandenburgischen A und das Angebot dieser Komponenten zum Verkauf auf eigene Rechnung hat der Kläger seine arbeitsvertraglichen Pflichten schwerwiegend schuldhaft verletzt, indem er sich die Eigentümerstellung des beklagten Landes angemaßt und das für das Arbeitsverhältnis erforderliche Vertrauensverhältnis erheblich verletzt hat. Die zweiwöchige Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB ist gewahrt. Das Verfahren zur Mitwirkung des Personalrats an der außerordentlichen Kündigung gemäß §§ 67 Abs. 1, 68 Abs. 1 Landes-Personalvertretungsgesetz Brandenburg (LPersVG Brdbg) ist ordnungsgemäß durchgeführt worden.

1. Nach § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dabei ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände “an sich” und damit typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile – jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist – zumutbar ist oder nicht (st. Rspr., BAG 23. August 2018 – 2 AZR 235/18 – Rn. 12; 14. Dezember 2017 – 2 AZR 86/17 – Rn. 27; 27. September 2012 – 2 AZR 646/11 – Rz. 20 f.).

Als wichtiger Grund kann neben der Verletzung vertraglicher Hauptpflichten auch die schuldhafte Verletzung von Nebenpflichten “an sich” geeignet sein (BAG 8. Mai 2014 – 2 AZR 249/13 – Rn. 19; 27. Januar 2011 – 2 AZR 825/09 – Rn. 29). Nach § 241 Abs. 2 BGB ist jede Partei des Arbeitsvertrags zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen ihres Vertragspartners verpflichtet. Diese Regelung dient dem Schutz und der Förderung des Vertragszwecks. Der Arbeitnehmer hat seine Arbeitspflichten so zu erfüllen und die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Interessen des Arbeitgebers so zu wahren, wie dies von ihm unter Berücksichtigung seiner Stellung und Tätigkeit im Betrieb, seiner eigenen Interessen und der Interessen der anderen Arbeitnehmer des Betriebs nach Treu und Glauben verlangt werden kann (BAG 8. Mai 2014 – 2 AZR 249/13 – Rn. 19 mwN).

Begeht ein Arbeitnehmer bei oder im Zusammenhang mit seiner Arbeit rechtswidrige und vorsätzliche – ggf. strafbare – Handlungen unmittelbar gegen das Vermögen seines Arbeitgebers, verletzt er in schwerwiegender Weise seine schuldrechtliche Pflicht zur Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB) und missbraucht das in ihn gesetzte Vertrauen. Ein solches Verhalten kann einen wichtigen Grund i. S. d. § 626 Abs. 1 BGB darstellen. Dies gilt auch dann, wenn die rechtswidrige Handlung Gegenstände von geringem Wert betrifft oder zu einem nur geringfügigen, möglicherweise zu gar keinem Schaden geführt hat (BAG 16. Dezember 2010 – 2 AZR 485/08 – Rn. 18; 10. Juni 2010 – 2 AZR 541/09 – Rn. 26). Maßgebend ist der mit der Pflichtverletzung verbundene Vertrauensbruch (BAG 31. Juli 2014 – 2 AZR 407/13 -, Rn. 26 f.). Ein Arbeitnehmer, der die Integrität von Eigentum und Vermögen seines Arbeitgebers vorsätzlich und rechtswidrig verletzt, zeigt ein Verhalten, das geeignet ist, die Zumutbarkeit seiner Weiterbeschäftigung in Frage zu stellen. Die durch ein solches Verhalten ausgelöste “Erschütterung” der für die Vertragsbeziehung notwendigen Vertrauensgrundlage tritt unabhängig davon ein, welche konkreten wirtschaftlichen Schäden mit ihm verbunden sind. Aus diesem Grund ist die Festlegung einer nach dem Wert bestimmten Relevanzschwelle mit dem offen gestalteten Tatbestand des § 626 Abs. 1 BGB nicht zu vereinbaren (BAG 10. Juni 2010 – 2 AZR 541/09 – Rn. 27).

Ob eine Verletzung arbeitsvertraglicher (Neben-)Pflichten vorliegt, richtet sich nach der objektiven Rechtslage. Handelt der Arbeitnehmer in der Annahme, sein Verhalten sei rechtmäßig, hat grundsätzlich er selbst das Risiko zu tragen, dass sich seine Rechtsauffassung als unzutreffend erweist (BAG 23. August 2018 – 2 AZR 235/18 – Rn. 14).

Bei der Prüfung im Rahmen des § 626 Abs. 1 BGB, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen (BAG 23. August 2018 – 2 AZR 235/18 -, Rn. 39; 14. Dezember 2017 – 2 AZR 86/17 – Rn. 54; 29. Juni 2017 – 2 AZR 302/16 – Rn. 26). Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen. Dabei lassen sich die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumutbar ist oder nicht, nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen der in Rede stehenden Pflichtverletzung, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf. Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind (BAG 21. November 2013 – 2 AZR 797/11 – Rn. 17mwN). Darlegungs- und beweispflichtig für die die Kündigung begründenden Tatsachen ist der Arbeitgeber, der die dem Arbeitnehmer vorgeworfenen Pflichtverletzungen nachvollziehbar darzulegen und im Bestreitensfall unter Beweis zu stellen hat.

2. Einer Überprüfung anhand dieser Grundsätze hält die außerordentliche Kündigung des beklagten Landes vom 15.05.2019 stand.

2.1 Der Kläger hat, indem er die drei Hardware-Komponenten aus den zu entsorgenden Geräten ausgebaut bzw. entnommen und nachfolgend über seinen C-Account zum Verkauf angeboten hat, in die Eigentümerposition des beklagten Landes eingegriffen und einen erheblichen Vertrauensbruch begangen. Dieses Verhalten ist als schwerwiegende schuldhafte Pflichtverletzung zu beurteilen, die als außerordentlicher Kündigungsgrund “an sich” geeignet ist. Unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles ist dem beklagten Land die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses, auch nur bis zum Ende der Kündigungsfrist, unzumutbar geworden. Eine Abmahnung des Klägers war entbehrlich, und die Interessenabwägung hatte im Ergebnis zugunsten des beklagten Landes zu erfolgen.

2.1.1. Das Verhalten des Klägers ist “an sich” als außerordentlicher Kündigungsgrund geeignet. Der Kläger hatte im Rahmen der ihm übertragenen Aufgaben- nach Entfernung der Festplatten – die zur Entsorgung vorgesehene Hardware bei dem Entsorgungsbetrieb B abzugeben. Diese Entscheidung hatte das beklagte Land als Eigentümer der Hardware getroffen und war als Eigentümer allein berechtigt, über den weiteren Umgang mit den ausgesonderten Geräten, insbesondere über eine weitere Verwertung oder die vollständige Entsorgung, zu entscheiden. Diese Entscheidung hat das beklagte Land dadurch getroffen, dass es die Geräte zur Entsorgung vorgesehen und den Kläger mit der Entsorgung beauftragt hat. Das beklagte Land war entgegen der Einschätzung des Klägers weiterhin Eigentümer der Geräte und hat insbesondere nicht das Eigentum an der Hardware der Geräte und den Komponenten der Hardware aufgegeben oder diese dem Kläger schenkweise übereignet. Indem der Kläger die drei Hardware-Komponenten aus den zur Entsorgung vorgesehenen Geräten entnommen bzw. ausgebaut hat, um diese für sich zu behalten und nachfolgend auf eigene Rechnung zum Verkauf anzubieten, hat er in das Eigentum des beklagten Landes rechtswidrig und schuldhaft eingegriffen. Damit hat er, unabhängig von dem geringen Wert der Hardware-Komponenten für den Kläger und dem wegen der vorgesehenen Entsorgung auf Null reduzierten Wert für das beklagte Land, in die Eigentümerrechte des beklagten Landes eingegriffen, sich selbst eine ihm nicht zustehende Eigentümerstellung angemaßt und dadurch das im Arbeitsverhältnis erforderliche Vertrauensverhältnis der Arbeitsvertragsparteien schwerwiegend erschüttert. Auch unter Berücksichtigung der Geringwertigkeit der Hardware-Komponenten hätte der Kläger, um sich rechtmäßig zu verhalten, vom beklagten Land die Erlaubnis einholen müssen, einzelne Komponenten auszubauen und für sich selbst zu verwerten. Ein solches Vorgehen behauptet er nicht.

2.1.2. Unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles war ein Festhalten am Arbeitsverhältnis für das beklagte Land angesichts des schwerwiegenden Verstoßes unzumutbar i. S. d. § 626 Abs. 1 BGB. Der Umstand, dass der Kläger ohne Nachfrage der Auffassung war, er könne frei über das zur Entsorgung vorgesehene Eigentum des beklagten Landes disponieren, und sich entsprechend verhalten hat, erschüttert das Vertrauensverhältnis eklatant. Dieses Vertrauensverhältnis ist Grundlage einer Zusammenarbeit der Vertragsparteien im Arbeitsverhältnis und ist von herausgehobener Bedeutung, wenn eine typischerweise im Arbeitsverhältnis zu verrichtende Aufgabe betroffen ist und damit kein außergewöhnlicher Einzelfall vorliegt. Vorliegend gehörte es regelmäßig zu den Aufgaben des Klägers, zur Entsorgung vorgesehene Altgeräte bei dem Entsorgungsunternehmen B abzugeben. Ein außergewöhnlicher Einzelfall lag daher nicht vor.

Bei objektiver Würdigung des Sachverhaltes war es für den Kläger offensichtlich, dass er nicht ohne Einholung einer vorherigen Erlaubnis mit dem Eigentum des beklagten Landes nach seinen Vorstellungen und zu seinen wirtschaftlichen Gunsten verfahren durfte. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem vom Kläger behaupteten – und vom beklagten Land vehement bestrittenen – Fehlverhalten des Sachgebietsleiters F. Sofern Herr F entsprechend der Behauptung des Klägers einen ausgesonderten Drucker sowie noch nicht aufgebrauchte Tonerkartuschen zum Zwecke des Privatgebrauchs mit nach Hause genommen und aus zu entsorgenden Geräten Kabel entfernt und auf eigene Rechnung an Altmetallhändler verkauft hat, liegt in diesem Verhalten ebenfalls offensichtlich und auch für den Kläger ohne weiteres erkennbar eine erhebliche schuldhafte Pflichtverletzung. Dasselbe gilt für den Fall, dass Herr F entsprechend der Behauptung des Klägers an einen ehemaligen Arbeitnehmer ausgesonderte Laptops verschenkt hat. Für den Fall, dass die Behauptungen des Klägers zuträfen, wäre der Kläger daher keineswegs berechtigt gewesen, sich ebenfalls rechtswidrig am Eigentum des beklagten Landes zu bedienen, und durfte dies auch nicht annehmen. Vielmehr hätte er Veranlassung gehabt, seinen Arbeitgeber über entsprechend rechtswidrige Pflichtverletzungen des Vorgesetzten zu informieren und insbesondere von eigenem ähnlich rechtswidrigem Verhalten Abstand zu nehmen.

Im Hinblick darauf war es im Verfahren nicht erforderlich, durch Beweiserhebung aufzuklären, ob die Behauptungen des Klägers über Pflichtwidrigkeiten des Sachgebietsleiters zutrafen. Die Kammer hat keine Veranlassung, dies anzunehmen, da der Kläger selbst die von ihm behaupteten Pflichtverletzungen des Sachgebietsleiters nach seinem Vortrag nicht persönlich wahrgenommen hat. Schriftsätzlich hat er behauptet, er habe von dem Arbeitnehmer Herrn G gehört, dass der Sachgebietsleiter sich entsprechend verhalten habe. Im Kammertermin im Berufungsverfahren am 28.04.2021 hat der Kläger diesbezüglich ergänzend erklärt, Herr F habe ihm gegenüber geäußert, dass er für den Privatgebrauch ausgesonderte Geräte des beklagten Landes nutze. Er habe weiter gesehen, wie Herr F Tonerpatronen ausgebaut habe. Dazu habe Herr F ihm erklärt, dass er diese mit nach Hause nehme. Ob sie dort für den Privatgebrauch verwendet würden, sei ihm nicht bekannt. Aus diesen Erklärungen des Klägers ist nicht zu schlussfolgern, dass seine Anschuldigungen gegenüber Herrn F berechtigt sind. Insbesondere im Hinblick darauf, dass das beklagte Land ausgeführt hat, Herr F verfüge zu dienstlichen Zwecken von zu Hause aus über einen Remote-Zugang für dienstliche Aufgaben, ist es ohne Weiteres möglich, dass ein zu diesem Zweck nach Hause mitgeführter Drucker nebst Tonerpatronen dienstlich genutzt wird. Selbst wenn Herr F – wie vom Kläger im Kammertermin behauptet – ausdrücklich erklärt hat, dass er das Gerät für den Privatgebrauch nutze, ergibt sich daraus nicht zwingend, dass damit nicht der private Gebrauch des Gerätes für dienstliche Zwecke gemeint gewesen ist. Hinsichtlich des vom Kläger behaupteten Verkaufs alter Kabel an Altmetallhändler auf eigene Rechnung ist es dabei geblieben, dass der Kläger dies – angeblich – lediglich von Herrn G gehört und nicht selbst wahrgenommen hat. Von einem feststehenden rechtswidrigen Verhalten des Herrn F geht die Kammer daher nicht aus und konnte auch der Kläger nicht ausgehen. Selbst wenn er insoweit davon überzeugt gewesen ist, Herr F verhalte sich rechtswidrig, ergibt sich daraus keinesfalls die Schlussfolgerung, dies rechtfertige auch ein eigenes rechtswidriges Verhalten des Klägers. Sofern der berentete ehemalige Arbeitnehmer des beklagten Landes einen oder mehrere Laptops entsprechend der Behauptung des Klägers vom Sachgebietsleiter erhalten hätte, ergibt sich daraus für den Kläger nichts. Ob ggf. eine solche Schenkung im Hinblick auf eine möglicherweise langjährige Beschäftigung des ehemaligen Arbeitnehmers mit Zustimmung des beklagten Landes erfolgt ist, konnte der Kläger nicht wissen. Auch wenn dies nicht der Fall war, begründet ein diesbezügliches etwaiges Fehlverhalten anderer Arbeitnehmer keine Rechte des Klägers, sich eine Eigentümerstellung hinsichtlich der zur Entsorgung vorgesehenen Hardware des beklagten Landes anzumaßen. Aus denselben Gründen war eine Beweisaufnahme zur Überprüfung der Behauptung des beklagten Landes, der Sachgebietsleiter habe den Kläger ausdrücklich auf das Verbot des Ausbaus von Hardware-Komponenten zur privaten Verwertung hingewiesen, entbehrlich. Auch ohne einen solchen – der Sache nach selbstverständlichen – Hinweis musste dem Kläger dies klar sein.

Der Umstand, dass der Kläger seinen C-Account, wie er meint, nicht heimlich geführt hat, ist nicht zu seinen Gunsten zu berücksichtigen. Es ist nicht die Aufgabe des beklagten Landes zu ermitteln, ob und unter welchen Bezeichnungen seine Arbeitnehmer außerdienstliche Verkäufe von Hardware vornehmen. Insoweit kann dahinstehen, ob die Bezeichnung des C-Accounts als it-service-schmargendorf ohne Weiteres dem Kläger zuzuordnen war. Vorliegend war es nicht Sache des beklagten Landes, den Kläger zu beobachten, sondern Sache des Klägers, bei einer von ihm gewünschten Verwertung von zur Entsorgung vorgesehener Hardware-Komponenten vorab die Erlaubnis von dem beklagten Land einzuholen.

2.1.3. Eine Abmahnung des Klägers war vorliegend entbehrlich.

Beruht die Vertragspflichtverletzung auf steuerbarem Verhalten des Arbeitnehmers, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sein künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann. Ordentliche und außerordentliche Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung setzen deshalb regelmäßig eine Abmahnung voraus. Einer solchen bedarf es nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann nicht, wenn bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach Abmahnung nicht zu erwarten steht, oder wenn es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich – auch für den Arbeitnehmer erkennbar – ausgeschlossen ist (vgl. BAG 29. Juni 2017 – 2 AZR 302/16 – Rn. 28; 13. Dezember 2018 – 2 AZR 370/18 – Rn. 30).

Nach diesen Maßstäben war eine Abmahnung entbehrlich, da im Falle eines wie hier vorliegenden Eigentumsdelikts und der damit verbundenen erheblichen Erschütterung des Vertrauensverhältnisses nach objektivem Maßstab und auch für den Kläger erkennbar eine Hinnahme des Verhaltens des Klägers durch das beklagte Land ausgeschlossen war. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der Behauptungen des Klägers zu rechtswidrigem Fehlverhalten des Sachgebietsleiters. Selbst wenn ein solches Fehlverhalten vorgelegen hätte, hätte der Kläger objektiv nicht davon ausgehen können, dass dies mit dem Einverständnis des beklagten Landes erfolgte. Da der Kläger selbst nicht um Erlaubnis für den Ausbau und die eigennützige Verwertung der Hardware-Komponenten ersucht hatte, konnte er von deren Erteilung nicht ausgehen und wusste deshalb, dass sein Verhalten nicht rechtmäßig war. Deshalb war eine Abmahnung entbehrlich.

2.1.4. Die Interessenabwägung zwischen dem Interesse des beklagten Landes an der umgehenden Beendigung des Arbeitsverhältnisses und dem Interesse des Klägers an seiner Fortsetzung hat zugunsten des beklagten Landes zu erfolgen. Trotz der Geringwertigkeit der Hardware-Komponenten für den Kläger und des fehlendes Wertes für das beklagte Land im Hinblick auf die beschlossene Entsorgung ist der Vertrauensverlust durch die Anmaßung der Eigentümerstellung durch den Kläger insoweit ausschlaggebend. Zulasten des Klägers ist weiter zu berücksichtigen, dass er ersichtlich bis zur Erklärung der außerordentlichen Kündigung und noch im Personalgespräch am 07.05.2019 sowie auch nachfolgend im hiesigen Verfahren bis zur Kammerverhandlung im Berufungsverfahren kein Unrechtsbewusstsein hinsichtlich seines Verhaltens entwickelt hatte. Erstmalig nach der Erörterung der Sach- und Rechtslage im Kammertermin im Berufungsverfahren hat er durch seine Prozessbevollmächtigte erklären lassen, er bedauere sein Verhalten. Durch die mehrjährige Verkaufstätigkeit des Klägers auf C mit Hardware-Komponenten wie sie regelmäßig vom beklagten Land ausgesondert und zur Entsorgung vorgesehen werden, bestand auch eine nicht unerhebliche Wiederholungsgefahr. Im Übrigen war der Kläger nicht langjährig beanstandungsfrei, sondern erst seit 3 Jahren und 4 Monaten bei dem beklagten Land beschäftigt und hat daher nur in begrenztem Maße einen Vertrauensvorschuss aufbauen können. Angesichts seiner unbestrittenen Qualifikation und seines Lebensalters von 36 Jahren zum Zeitpunkt der Kündigung hatte er darüber hinaus keine erheblichen Schwierigkeiten auf dem Arbeitsmarkt zu gewärtigen.

2.2. Soweit sich das beklagte Land erstinstanzlich auf weitere außerordentliche Kündigungsgründe gestützt hat, greifen diese nicht durch. Da das unstreitige Fehlverhalten des Klägers betreffend die drei Hardware-Komponenten bereits die außerordentliche Kündigung des beklagten Landes rechtfertigt, kommt es auf weitere Kündigungsgründe entscheidungserheblich auch nicht mehr an. Insoweit weist die Kammer lediglich darauf hin, dass der umfangreiche An- und Verkauf von Hardware und Hardware-Komponenten über den C-Account des Klägers zwar nicht ohne Weiteres seiner genehmigten Nebentätigkeit als IT-Berater zur Nutzer- und Hardwarebetreuung außerhalb des öffentlichen Dienstes im Umfang von 3 bis 4 Stunden wöchentlich zuzuordnen ist, eine außerordentliche Kündigung ohne vorherige Abmahnung insoweit jedoch unwirksam wäre. Hinsichtlich des dem Kläger erstinstanzlich vorgeworfenen Arbeitszeitbetruges liegt angesichts des – von dem beklagten Land nicht bestrittenen – Zeitaufwandes von lediglich 12 Sekunden zur Entfernung der drei Hardware-Komponenten aus den Geräten keine “an sich” als außerordentlicher Kündigungsgrund geeignete schwerwiegende Pflichtverletzung vor und wäre im Übrigen eine Abmahnung nicht entbehrlich. Soweit das beklagte Land angesichts des Umfangs der Verkaufstätigkeit des Klägers auf C sowie angesichts der Möglichkeit seines Zugriffs auf eine Vielzahl von ausgesonderten IT-Geräten sowie Hardware-Komponenten den Verdacht geäußert hat, der Kläger habe in großem Stil und systematisch Eigentum des Landes auf C verkauft, handelt es sich lediglich um Mutmaßungen des beklagten Landes. Allein die Möglichkeit eines solchen weiteren Fehlverhaltens genügt nicht, um einen auf Tatsachen gestützten Verdacht zu begründen, der überwiegend wahrscheinlich richtig ist. Eine – grundsätzlich zulässige – Verdachtskündigung kann auf solche Mutmaßungen nicht mit Erfolg gestützt werden. Im Übrigen hat eine Anhörung des Klägers zu einem konkreten Verdacht, er verkaufe systematisch und in großem Stil ausgesonderte IT-Geräte des beklagten Landes, nicht stattgefunden. Eine solche Anhörung ist jedoch Wirksamkeitsvoraussetzung für die Verdachtskündigung.

2.3. Das beklagte Land hat die zweiwöchige Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB gewahrt. Nach dieser Vorschrift kann eine außerordentliche Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt.

Vorliegend hatte das beklagte Land noch nicht am 08.04.2019 Kenntnis von den die Kündigung begründenden Tatsachen erlangt. Zu diesem Zeitpunkt war dem beklagten Land lediglich bekannt, dass der Kläger über C Hardware-Komponenten an- und verkauft hat, die sich der Art nach auch in den zu entsorgenden IT-Geräten der Brandenburgischen A finden und auf die der Kläger zugreifen konnte. Vor diesem Hintergrund ist der Verdacht des beklagten Landes entstanden, der Kläger könne eine Vielzahl von dem beklagten Land gehörenden Hardware-Komponenten entwendet und auf eigene Rechnung verkauft haben. Eine Zuordnung der vom Kläger zum Verkauf angebotenen Hardware-Komponenten zu den vom beklagten Land verwendeten Endgeräten war dadurch jedoch noch nicht möglich. Eine solche zuverlässige Zuordnung der drei streitgegenständlichen Hardware-Komponenten zu Endgeräten der Brandenburgischen A war erst im Ergebnis der am 09.04.2019 in Auftrag gegebenen Recherche durch die Firma E möglich. Dieses Ergebnis wurde dem beklagten Land mit der Mitteilung der Firma E per E-Mail vom 02.05.2019 bekannt und ist vom Kläger im Personalgespräch am 07.05.2019 bestätigt worden. Soweit der Kläger im Berufungsverfahren bestritten hat, dass der Auftrag an die Firma E am 09.04.2019 erteilt worden ist, hat das beklagte Land seine diesbezügliche Behauptung durch Vorlage der E-Mail im Berufungsverfahren belegt. Die E-Mail der Firma E vom 02.05.2019 hatte das beklagte Land bereits erstinstanzlich vorgelegt. Da die zweiwöchige Kündigungserklärungsfrist mit dem Zugang des Kündigungsschreibens am 15.05.2019 in jedem Fall gewahrt ist, kommt es entscheidungserheblich nicht darauf an, ob die Kündigungserklärungsfrist mit Zugang der E-Mail vom 02.05.2019 an diesem Tag oder erst mit der Bestätigung durch den Kläger am 07.05.2019 zu laufen begonnen hat.

2.4. Das beklagte Land hat das gemäß §§ 67 Abs. 1, 68 Abs. 1 LPersVG Brdbg erforderliche Mitwirkungsverfahren durch den Personalrat ordnungsgemäß durchgeführt. Nach Maßgabe von § 67 Abs. 1 LPersVG Brdbg ist in den Fällen der Mitwirkung des Personalrats an Entscheidungen die beabsichtigte Maßnahme vor ihrer Durchführung mit dem Ziel einer Verständigung rechtzeitig und umgehend mit dem Personalrat zu erörtern. Zu den Fällen der Mitwirkung des Personalrats gehört gemäß § 68 Abs. 1 Nr. LPersVG Brdbg die außerordentliche Kündigung von Arbeitsverhältnissen. Voraussetzung für eine rechtzeitige und umgehende Erörterung mit dem Personalrat ist dessen zutreffende Information über die beabsichtigte Maßnahme und ihre tatsächlichen Hintergründe. Die dem Personalrat vorliegend übermittelten Informationen sind nicht zu beanstanden.

Bereits aus dem Personalgespräch vom 07.05.2019, an dem ein Personalratsmitglied beteiligt war, war dem Personalrat bekannt, dass konkret der Ausbau der drei streitgegenständlichen Hardware-Komponenten und das Angebot dieser Hardware-Komponenten zum Verkauf auf dem C-Account des Klägers die ihm konkret als Kündigungsgrund zur Last gelegte Pflichtverletzung war. Dass die Hardware-Komponenten für das beklagte Land keinen wirtschaftlichen Wert mehr hatten, war für den Personalrat offensichtlich erkennbar, da sie zur Entsorgung vorgesehen waren. Auf das Angebot der drei streitgegenständlichen Hardware-Komponenten zum Verkauf auf dem C-Account des Klägers hat das beklagte Land auch ausdrücklich in dem dem Anhörungsschreiben vom 09.05.2019 beigefügten Schreiben vom 08.05.2019 unter der Überschrift “Vorlage zur Entscheidung”, dort unter Ziffer 1. Sachverhalt, hingewiesen. Das beklagte Land hat die beabsichtigte Kündigung des Klägers gegenüber dem Personalrat dagegen nicht auf den Verdacht gestützt, dass der Kläger systematisch und in großem Stil weitere Hardware-Teile des beklagten Landes und vollständige Laptops zum Verkauf angeboten hätte. Insoweit hat es vielmehr ausdrücklich darauf verwiesen, dass nach Auffassung des Fachvorgesetzten des Klägers nicht auszuschließen sei, dass ein solcher erweiterter Verkauf stattgefunden habe oder noch stattfinde, und hat mitgeteilt, eine entsprechende Vermutung liege nahe. Damit hat das beklagte Land bereits sprachlich klargestellt, dass insoweit kein auf konkrete Tatsachen gegründeter Verdacht vorliegt, sondern lediglich eine Mutmaßung und Vermutung. Im Zusammenhang mit dieser Mutmaßung ist auch der Hinweis des beklagten Landes auf in gesamten Geräten enthaltene geheimhaltungsbedürftige Daten erfolgt. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass diese Angaben aus Sicht des Personalrats als beabsichtigte Verdachtskündigung zu verstehen gewesen wären. Soweit das beklagte Land daneben in den Anhörungsschreiben auch einen aus seiner Sicht erfüllten Arbeitszeitbetrug sowie eine Verletzung der Pflicht zur Anzeige von Nebentätigkeiten genannt und darauf hingewiesen hat, auch solche Pflichtverletzungen könnten eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen, hat es die beabsichtigte Kündigung ebenfalls nicht maßgeblich auf diese Umstände gestützt. Nach dem objektiven Empfängerhorizont des Personalrats war ersichtlich, dass konkreter Kündigungsgrund das erwiesene Fehlverhalten des Klägers in Bezug auf die drei streitgegenständlichen Hardware-Komponenten war. Damit ist die Personalratsanhörung nicht zu beanstanden.

2.5. Es kann dahinstehen, welche Auswirkungen eine etwaige Nichtbeteiligung der Gleichstellungsbeauftragten hätte, da diese ebenfalls ordnungsgemäß beteiligt worden ist. Gemäß § 22 Abs. 1 Landesgleichstellungsgesetz Brandenburg ist der Gleichstellungsbeauftragten bei allen personellen Angelegenheiten mit Auswirkungen auf die Gleichstellung von Frauen und Männern Gelegenheit zur aktiven Teilnahme zu geben. Dass die streitgegenständliche Kündigung Auswirkungen auf die Gleichstellung von Frauen und Männern haben könnte, ist bereits nicht ersichtlich. Diese Frage kann jedoch dahinstehen, da die Gleichstellungsbeauftragte mit demselben Schreiben wie der Personalrat zu der beabsichtigten fristlosen und hilfsweise ordentlichen Kündigung des Klägers angehört worden ist und ihre Zustimmung am 10.05.2019 erklärt hat.

3. Da das Arbeitsverhältnis aufgrund der außerordentlichen Kündigung am 15.05.2019 geendet hat, war die hilfsweise ordentliche Kündigung vom selben Tag gegenstandslos.

III.

Der Kläger hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seines erfolgslosen Rechtsmittels zu tragen.

IV.

Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG liegen nicht vor. Die Entscheidung hat keine grundsätzliche Bedeutung und ist allein an den Besonderheiten des Einzelfalles orientiert. Die Kammer folgt den Grundsätzen der zitierten obergerichtlichen Rechtsprechung, ohne dass eine Divergenz zu anderen obergerichtlichen Entscheidungen erkennbar wäre.