Streit über die Wirksamkeit einer ordentlichen, auf betriebliche Erfordernisse gestützten Änderungskündigung, Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 08.10.2009, 2 AZR 235/08

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen, auf betriebliche Erfordernisse gestützten Änderungskündigung.

Der 1962 geborene Kläger ist seit Juli 1990 bei der Beklagten tätig. Die Zeit seit 15. Januar 1989 wurde als Zeit der Betriebszugehörigkeit anerkannt. Auf der Grundlage eines Arbeitsvertrags vom 22. November 2001 wurde er als „Leiter Einkauf Energic HB-Stoff-TLBH … im außertariflichen Arbeitsverhältnis weiterbeschäftigt“. Sein Jahresgehalt betrug bei einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden zuletzt 76.517,00 Euro brutto. Es setzte sich zusammen aus einem Jahresgrundgehalt, zahlbar in zwölf monatlichen Teilbeträgen zu je5.615,00 Euro brutto, und einem variablen Gehaltsbestandteil von 9.137,00 Euro brutto, der bei vollständiger Erfüllung vereinbarter Ziele anfiel. In dem Vertrag ist ua. geregelt:
„4. Urlaub
Der jährliche Urlaubsanspruch beträgt 30 Arbeitstage …

11. Kündigung
Der Vertrag ist mit einer Frist von drei Monaten zum Monatsende kündbar.

Nach mindestens 25 jähriger ununterbrochener Unternehmenszugehörigkeit – gerechnet ab dem vollendeten 30.Lebensjahr – kann der Arbeitsvertrag durch M nur aus wichtigem Grunde gekündigt werden. Dies gilt nicht nach Eintritt der Erwerbsunfähigkeit, nach Erreichen der Altersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung sowie für Änderungskündigung.“

Die Beklagte ist ein Unternehmen der Metallindustrie und beschäftigt regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer. Sie ist Mitglied des Verbands der Bayerischen Metall- und Elektro-Industrie e.V. (VBM).

Am 1. November 2005 vereinbarten der VBM und die Industriegewerkschaft Metall, Bezirk Bayern, einen Entgeltrahmentarifvertrag (ERA-TV) mit Anhang Orientierungsbeispiele, einen Entgelttarifvertrag und einen ERA-Einführungstarifvertrag (ERA-ETV).

Im ERA-TV vom 1. November 2005 heißt es ua.:
„§ 1 Geltungsbereich
Der Tarifvertrag gilt:

3.
Persönlich:
Für alle Arbeitnehmer, die unter den persönlichen Geltungsbereich der Manteltarifverträge für die bayerische Metall- und Elektroindustrie fallen, mit Ausnahme der Auszubildenden.“

Der ERA-ETV vom 1. November 2005 lautet auszugsweise:
„§ 1 Geltungsbereich
Es gilt der gleiche räumliche, fachliche und persönliche Geltungsbereich wie in § 1 desEntgeltrahmentarifvertrages für die bayerische Metall- und Elektroindustrie (ERA-TV) in seiner jeweils geltendenFassung.
§ 2 Einführungszeitraum

In dem Zeitraum vom 1.10.2006 bis zum 30.9.2009 können die Betriebe den ERA-TV stichtagsbezogeneinführen.
Ab 1.10.2009 gilt der ERA-TV verbindlich für alle Betriebe. Mit Zustimmung der Tarifvertragsparteien kann derERA-TV betrieblich auch nach diesem Zeitpunkt eingeführt werden.
Der ERA-TV ersetzt zum Stichtag im Betrieb die entsprechenden Bestimmungen des Lohn– undGehaltsrahmentarifvertrages.
Die Tarifvertragsparteien empfehlen, über die Vorgehensweise bei der Einführung des ERA-TV im Betrieb einefreiwillige Betriebsvereinbarung abzuschließen.“

Der Manteltarifvertrag für die Angestellten der bayerischen Metall- und Elektroindustrie (MTV-Ang) vom 31.Oktober/2. November 1970, zuletzt in der seit 1. Juli 2002 geltenden Fassung vom 24. Mai 2002, bestimmt in § 1Ziff. 3 zu seinem Geltungsbereich:
„Persönlich:
(I)

(II)
Nicht als Angestellte i.S. dieses Vertrages gelten:

d)
sonstige Angestellte, deren Gehalt auf außertariflicher Grundlage über den Rahmen des höchsten Tarifsatzes derGruppe VII um 25 v.H. hinausgehend geregelt ist.“
2 AZR 235/08 > Rn 8
Am 12. Oktober 2006 schloss die Beklagte mit dem Betriebsrat eine „Rahmen-Betriebsvereinbarung über dieEinführung der Tarifverträge zum ‚Entgelt-Rahmenabkommen’ (ERA)“ (Rahmen-BV). In deren § 8 verständigten
sich die Betriebsparteien darauf, alle Vorbereitungen zu treffen, um eine Umstellung der Entgelte zum 1. Januar2007 zu ermöglichen. Laut ihres § 2 Satz 2 gilt die Betriebsvereinbarung „für alle tariflichen MitarbeiterInnen derM GmbH“.

Mit Schreiben vom 14. Dezember 2006 hörte die Beklagte den Betriebsrat zu ihrer Absicht an, den Kläger imWege der Änderungskündigung in den ERA-TV einzugliedern, ihn in die Entgeltgruppe 11 ERA-TVeinzugruppieren und damit seine „Entleitung“ zu verbinden. Zugleich beantragte sie die Zustimmung zurEingruppierung. Der Betriebsrat widersprach sowohl der Änderungskündigung als auch der „AT-Rückführung“ desKlägers.

Mit Schreiben vom 22. Dezember 2006 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien ordentlich zum30. Juni 2007. Zugleich bot sie dem Kläger an, ihn ab 1. Juli 2007, bei gleichzeitiger Versetzung auf die Stelle„Koord. Q-Management indirektes Material“ und Eingruppierung in die Entgeltgruppe 11 ERA-TV, auf derGrundlage eines „Arbeitsvertrags Tarifangestellter“ mit einer regelmäßigen (tariflichen) wöchentlichen Arbeitszeitvon 35 Stunden weiterzubeschäftigen. Dabei sollte, befristet für die Zeit vom 1. Juli 2007 bis zum 31. Dezember2008, die wöchentliche Arbeitszeit auf der Grundlage von § 3 Ziff. 1 MTV-Ang auf 40 Stunden angehobenwerden. Wegen des weiteren Inhalts des Änderungsangebots nahm die Beklagte auf beigefügteZusatzvereinbarungen Bezug. Der „Arbeitsvertrag Tarifangestellter“ lautet auszugsweise:
„§ 2 Entgelt
Das Bruttoentgelt beträgt
EUR
5.321,00
Dieser Betrag setzt sich wie folgt zusammen
Tarifentgelt der Entgeltgruppe 11
EUR
3.782,00
Tarifliche Leistungszulage (14%)
EUR
529,00
Übertarifliche Zulage
EUR
1.010,00
Das Bruttogehalt basiert auf einer Arbeitszeit von wöchentlich 35 Stunden.
Die übertarifliche Zulage stellt eine freiwillige Leistung dar und wird dem Mitarbeiter bis 31. Dezember 2008zugesichert.

§ 3 Kündigungsfristen
Das Arbeitsverhältnis kann mit einer Frist von 3 Monaten zum Monatsende gekündigt werden. …

§ 5 Urlaub
Der Umfang des jährlichen Urlaubsanspruches richtet sich nach den gesetzlichen, tariflichen und betrieblichenBestimmungen. Die zeitliche Festlegung muss im Einvernehmen mit der Firma erfolgen.

§ 8 Sonstige Regelungen
… Im Übrigen gelten für das Arbeitsverhältnis die Arbeitsordnung, die sonstigen Betriebsvereinbarungen,
Richtlinien und die allgemeinen Anweisungen der Firma sowie die gesetzlichen und tariflichen Bestimmungen inder jeweils gültigen Fassung.“
In einer der Zusatzvereinbarungen heißt es:
„§ 1 Arbeitszeit
Herr K
wird mit Wirkung vom 01.07.2007 befristet bis 31.12.2008
40 Stunden pro Woche beschäftigt.
§ 2 Vergütung
Bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 35 Stunden beträgt das derzeitige Entgelt
EUR
5.321,00
Bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden beträgt das derzeitige Entgelt
EUR
6.081,00
§ 3 Sonstiges
Die abhängigen Leistungen wie z. B. Urlaubsgeld, Weihnachtsgeld werden anteilig ermittelt.“

Der Kläger nahm das Änderungsangebot unter Vorbehalt an und erhob Änderungsschutzklage. Er hat die Ansichtvertreten, die Änderungen der Arbeitsbedingungen seien sozial ungerechtfertigt. Seine arbeitsvertraglichbegründete Stellung als „AT-Angestellter“ werde durch die Änderungen im Tarifbereich nicht berührt, da er wederdem persönlichen Geltungsbereich des ERA-TV noch dem der Rahmen-BV unterfalle. Das Änderungsangebotenthalte zudem eine nicht gerechtfertigte Verschlechterung seiner Arbeitsbedingungen, insbesondere hinsichtlichdes Entgelts und des ihm vertraglich zugesicherten besonderen Kündigungsschutzes. Die Beklagte beschäftigeim Übrigen auch weiterhin außertarifliche Arbeitnehmer.

Der Kläger hat, soweit noch von Bedeutung, beantragt
festzustellen, dass die Änderung der Bedingungen des zwischen den Parteien bestehenden Arbeitsverhältnissesdurch die von der Beklagten mit Schreiben vom 22. Dezember 2006 ausgesprochene Kündigung sozialungerechtfertigt ist.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat vorgebracht, sie habe sich stets innerhalb der für siegeltenden tariflichen Ordnung bewegen wollen und den Kläger nur deshalb als außertariflichen Angestelltenbeschäftigt, weil im Zeitpunkt des Vertragsschlusses seine Tätigkeit in den tariflichen Vergütungsgruppen nichtabgebildet gewesen sei. Das habe sich mit Inkrafttreten des ERA-TV und ihrer Entscheidung, den Tarifvertragzum 1. Januar 2007 einzuführen, geändert. Die Tätigkeit des Klägers erfülle die Voraussetzungen für eineEingruppierung in die Entgeltgruppe 11 ERA-TV und finde sich im Orientierungsbeispiel Nr. 37 wieder. SeineStelle sei damit nicht mehr der Ebene des erweiterten Führungskreises zuzuordnen und habe notwendig„entleitet“ werden müssen. Angesichts der gravierenden Änderungen im Tarifgefüge sei ihr ein Festhalten an denursprünglichen Vertragsbedingungen nicht mehr zumutbar. Die Sach- und Interessenlage unterscheide sich nichtwesentlich von der korrigierenden Rückgruppierung. Jedenfalls sei die Geschäftsgrundlage für den „AT-Status“entfallen. Die angebotenen Vertragsänderungen seien zur Herstellung von Lohngerechtigkeit und zur Wahrungdes Betriebsfriedens erforderlich. Sie seien auch verhältnismäßig. Sie entsprächen den in ihrem Betrieb beiTarifangestellten verwendeten Standardarbeitsverträgen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagtenzurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antragweiter, die Klage abzuweisen.
Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten hat keinen Erfolg. Die Vorinstanzen haben zu Recht entschieden, dass die demKläger im Zusammenhang mit der Kündigung vom 22. Dezember 2006 angetragene Änderung derArbeitsbedingungen sozial ungerechtfertigt und unwirksam ist.

I. Eine betriebsbedingte Änderungskündigung iSv. § 2 KSchG ist sozial ungerechtfertigt, wenn nicht dieVoraussetzungen des § 1 Abs. 2 Satz 1 bis 3 KSchG vorliegen. Dabei ist die soziale Rechtfertigung der Änderungder Arbeitsbedingungen zu überprüfen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist dasÄnderungsangebot des Arbeitgebers daran zu messen, ob es durch dringende betriebliche Erfordernisse iSd. § 1Abs. 2 KSchG bedingt ist und sich der Arbeitgeber darauf beschränkt hat, solche Änderungen anzubieten, die derArbeitnehmer billigerweise hinnehmen muss (st. Rspr., Senat 15. Januar 2009 –
APKSchG 1969 § 2 Nr. 141; 29. November 2007 –

– Rn. 20, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 136 = EzAKSchG § 2 Nr. 69). Dieser Maßstab gilt unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer das Änderungsangebotabgelehnt oder unter Vorbehalt angenommen hat (Senat 15. Januar 2009 –
– Rn. 14 mwN, aaO).

Ob der Arbeitnehmer eine ihm vorgeschlagene Änderung billigerweise hinnehmen muss, ist nach demVerhältnismäßigkeitsgrundsatz zu prüfen (Senat 15. Januar 2009 –

– Rn. 15, AP KSchG 1969 § 2Nr. 141; 29. November 2007 –

– Rn. 40, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 136 = EzA KSchG § 2 Nr. 69). DieÄnderungen müssen geeignet und erforderlich sein, um den Inhalt des Arbeitsvertrags den geändertenBeschäftigungsmöglichkeiten anzupassen. Diese Voraussetzungen müssen für alle angebotenen Änderungenvorliegen. Ausgangspunkt ist die bisherige vertragliche Regelung. Die angebotenen Änderungen dürfen sich vonderen Inhalt nicht weiter entfernen, als zur Erreichung des angestrebten Ziels erforderlich ist (Senat 15. Januar2009 –

– Rn. 15, aaO; 26. Juni 2008 –

– Rn. 17, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 138 = EzAKSchG § 2 Nr. 71).

II. Diesen Anforderungen wird das dem Kläger mit der Kündigung vom 22. Dezember 2006 unterbreiteteÄnderungsangebot nicht gerecht. Dabei kann mit dem Landesarbeitsgericht zugunsten der Beklagten unterstelltwerden, dass die zuletzt ausgeübte Tätigkeit des Klägers die tariflichen Voraussetzungen für eine Eingruppierungin die Entgeltgruppe 11 ERA-TV erfüllt. Auch dann ist die ihm angetragene Vertragsänderung sozialungerechtfertigt iSd. §§ 2, 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG. Die Beklagte hat keine dringenden betrieblichen Erfordernissedargelegt, die im Zeitpunkt der Kündigung einer Weiterbeschäftigung des Klägers zu den Bedingungen seinesbisherigen Arbeitsvertrags entgegenstanden.

1. Die Beklagte hat keine Organisationsentscheidung getroffen, die sich auf die vom Kläger auszuübendeTätigkeit inhaltlich ausgewirkt oder das Anforderungsprofil der von ihm besetzten Stelle geändert hätte.

a) Soweit die Beklagte eine „Entleitung“ der Stelle anstrebt, betrifft dies deren organisatorische Zuordnung zumerweiterten Führungskreis. Anhaltspunkte dafür, dass mit der Aufhebung dieser Zuordnung Änderungen derBefugnisse des Klägers oder der Anforderungen an seine Qualifikation verbunden sind, liegen nicht vor.

b) Die Möglichkeit, den Kläger zu seinen bisherigen Arbeitsbedingungen zu beschäftigen, ist – entgegen derAuffassung der Beklagten – auch nicht wegen einer betrieblich veranlassten Änderung des bisherigen Stellen-und Anforderungsprofils entfallen. Zwar kann eine unternehmerische Entscheidung zur Umstrukturierung desBetriebs oder einzelner Arbeitsplätze auch das Anforderungsprofil der verbleibenden Arbeitsplätze erfassen (vgl.Senat 10. Juli 2008 –

– Rn. 24 f. mwN, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 181 =EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 163; 7. Juli 2005 –

– Rn. 32, AP KSchG 1969 § 1Betriebsbedingte Kündigung Nr. 138 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 138). Damit haben aberdie Festlegung von Tätigkeitsmerkmalen in einem tariflichen Entgeltgruppenschema und dessen Anwendung imBetrieb nichts zu tun. Das Anforderungsprofil beschreibt die Anforderungen an die Fähigkeiten desArbeitsplatzinhabers, die sich unmittelbar aus der übertragenen Arbeitsaufgabe und/oder aus einem vomArbeitgeber festgelegten Stellenprofil ergeben. Demgegenüber bestimmt sich nach den tariflichenEingruppierungskriterien, wo die so ausgestaltete Tätigkeit des Arbeitnehmers in das tarifliche Entgeltschemaeinzureihen ist.

2. Die Beklagte hat keine Änderungen des Arbeitsvolumens des Klägers aufgezeigt. Es geht ihr allein um dieÄnderung der materiellen Arbeitsbedingungen. Diese wiederum stützt sie ausdrücklich nicht auf wirtschaftliche Gründe. Mögliche Gehaltseinbußen des Klägers seien nicht das Ziel ihrer Kündigung, sondern hinzunehmendeFolge der lediglich die Tarifänderungen widerspiegelnden Änderungen der Arbeitsbedingungen.
Die Neuordnung der tariflichen Entgeltstruktur begründet kein dringendes betriebliches Erfordernis zurÄnderung der Arbeitsbedingungen des Klägers.

a) Die Parteien haben einzelvertraglich die Beschäftigung des Klägers im außertariflichen Angestelltenverhältnisvereinbart. Nach ihrem Willen sollten damit tarifvertragliche Regelungen auf das Arbeitsverhältnis keineAnwendung finden.

b) Der Arbeitgeber bleibt grundsätzlich an den einmal geschlossenen Arbeitsvertrag gebunden, selbst wenn erspäter Arbeitnehmer zu für ihn günstigeren Bedingungen einstellen könnte. Dies gilt sowohl bei einemTarifwechsel als auch bei Inkrafttreten einer neuen gesetzlichen Regelung (Senat 12. Januar 2006 –
– Rn. 21, 22, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 82 = EzA KSchG § 2 Nr. 56).

c) Das bloße Interesse eines tarifgebundenen Arbeitgebers, die Arbeitsbedingungen der im Betrieb beschäftigtenArbeitnehmer zu vereinheitlichen, ist kein Kündigungsgrund iSd. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG. Es fehlt an einem(dringenden) betrieblichen Erfordernis. Der Arbeitgeber kann Arbeitnehmern, mit denen er individualvertraglichgünstigere oder vollkommen andere Regelungen vereinbart hat, als dies dem allgemeinen betrieblichen odertariflichen Niveau entspricht, ihre Rechtsstellung nicht unter Berufung auf den allgemeinenGleichbehandlungsgrundsatz entziehen (vgl. Senat 12. Januar 2006 –

– Rn. 28, AP KSchG 1969 §2 Nr. 82 = EzA KSchG § 2 Nr. 56). Der Gleichbehandlungsgrundsatz dient der Begründung von Rechten, nicht

deren Einschränkung (Senat 12. Januar 2006 –

– Rn. 28, aaO; 16. Mai 2002 – 2 AZR 292/01 – zuB II 4 der Gründe, EzA KSchG § 2 Nr. 46; KR/Rost 9. Aufl. § 2 KSchG Rn. 109a; v. Hoyningen-Huene/LinckKSchG 14. Aufl. § 2 Rn. 170). Soweit sich die Beklagte darauf beruft, ohne Anpassung der Arbeitsbedingungendes Klägers an das Tarifniveau sei mit einer Störung des Betriebsfriedens und einer Beeinträchtigung derMotivation eines Teils der Belegschaft zu rechnen, benennt sie keine konkreten Tatsachen, die diese Behauptungstützten. Schon deshalb können die angeführten Umstände eine Änderung der Arbeitsbedingungen nichtrechtfertigen.

d) Ebenso wenig vermögen das die Grundsätze, nach denen eine Änderungskündigung zum Zweck derBeseitigung einer irrtümlich zu hohen Eingruppierung zulässig sein kann (vgl. Senat 15. März 1991 – 2 AZR582/90 – zu B III 1 der Gründe mwN, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 28 = EzA KSchG § 2 Nr. 16). Entgegen derAuffassung der Beklagten sind sie im Streitfall nicht anwendbar.

aa) Der Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes, der einen Arbeitnehmer irrtümlich in eine zu hoheVergütungsgruppe eingruppiert hat, kann zur Rückgruppierung des Arbeitnehmers im Wege derÄnderungskündigung berechtigt sein. Das dringende betriebliche Erfordernis iSd. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG beruhtdabei auf der Verpflichtung des öffentlichen Arbeitgebers zu sparsamer Haushaltsführung und dem Umstand,dass die Eingruppierung des Arbeitnehmers lediglich Normvollzug darstellt (vgl. Senat 15. März 1991 – 2 AZR582/90 – zu B III 3 b der Gründe, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 28 = EzA KSchG § 2 Nr. 16).

bb) Es bedarf im Streitfall keiner Erörterung, ob diese Erwägungen uneingeschränkt auf den Bereich derPrivatwirtschaft übertragbar sind (vgl. zur Problematik Bröhl BB 2007, 437, 438; Schaub BB 1996, 1058, 1060).Der vorliegende Sachverhalt ist mit einer irrtümlich zu hohen Eingruppierung nicht vergleichbar. Die Tätigkeit desKlägers war bei Vertragsschluss in der maßgeblichen tariflichen Gehaltsgruppenordnung nicht abgebildet. EinIrrtum der Beklagten über die zutreffende – tarifliche – Eingruppierung lag damit nicht vor. Unabhängig davonknüpft § 1 Ziff. 3 Abs. (II) Buchst. d MTV-Ang, soweit er Angestellte aus dem persönlichen Geltungsbereich desTarifvertrags ausnimmt, nicht daran an, ob deren Tätigkeit von den tariflichen Gehaltsgruppen erfasst wird.Maßgebend ist vielmehr, ob der Arbeitgeber mit dem Angestellten ein Gehalt vereinbart hat, das mindestens 25% über dem höchsten Tarifsatz der Gehaltsgruppe VII MTV-Ang iVm. der jeweiligen Tarifvereinbarung überLöhne, Gehälter und Ausbildungsvergütungen in der bayerischen Metall- und Elektroindustrie liegt. EineVerpflichtung des Arbeitgebers, mit einem Angestellten, dessen Tätigkeit im tariflichen Gehaltsgruppenschemanicht abgebildet ist, ein „AT-Arbeitsverhältnis“ zu begründen und ein entsprechend hohes Gehalt zu vereinbaren,lässt sich dem Tarifvertrag nicht entnehmen. Kommt es nach dem MTV-Ang für den „AT-Status“ allein auf dieHöhe des vereinbarten Gehalts an, stellt der Abschluss eines auf dieser Basis geschlossenen „AT-Vertrags“ nichtbloßen Normvollzug dar.

e) Die Änderungen der Arbeitsbedingungen des Klägers sind auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer Störungder Geschäftsgrundlage gerechtfertigt.

aa) Das Kündigungsrecht ist gegenüber einer Anpassung nach § 313 BGB lex specialis (Senat 12. Januar 2006 –

– Rn. 29, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 82 = EzA KSchG § 2 Nr. 56). Das bedeutet nicht, dassTatbestände, die für eine Störung oder den Wegfall der Geschäftsgrundlage herangezogen werden könnten, in

kündigungsrechtlicher Hinsicht außer Betracht bleiben müssten. Derartige Sachverhalte sind aber im Rahmen der§§ 2, 1 KSchG zu würdigen (KR/Rost 9. Aufl. § 2 KSchG Rn. 54k mwN).

bb) Es ist nicht zu erkennen, dass mit der betrieblichen Einführung des ERA-TV zum 1. Januar 2007 und derdamit verbundenen grundlegenden Neuordnung der tariflichen Entgeltordnung eine Störung derGeschäftsgrundlage eingetreten wäre, die eine Vertragsanpassung gemäß dem mit der Änderungskündigungunterbreiteten Angebot verlangte.

(1) Nach § 313 BGB ist ein Vertrag anzupassen, wenn Umstände, die zu seiner Grundlage geworden sind, sichschwerwiegend verändert haben. Geschäftsgrundlage sind die bei Vertragsschluss bestehenden gemeinsamenVorstellungen beider Parteien oder die dem Geschäftsgegner erkennbaren und von ihm nicht beanstandetenVorstellungen einer Vertragspartei vom Vorhandensein oder künftigen Eintritt bestimmter Umstände, sofern derGeschäftswille der Parteien auf diesen Vorstellungen aufbaut (BAG 25. Juli 1990 – 5 AZR 394/89 – zu II 2 a derGründe, BAGE 65, 290; BGH 8. Februar 2006 – VIII ZR 304/04 – zu II 1 a der Gründe, ZIP 2006, 765).Voraussetzung für eine Vertragsanpassung ist, dass die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhaltgeschlossen hätten, wenn sie die Änderung vorausgesehen hätten, und dass einem Teil unter Berücksichtigungaller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhaltenam unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann (vgl. BAG 29. Januar 2008 – 3 AZR 42/06 – Rn. 58, APBetrVG 1972 § 87 Nr. 13 = EzA BetrVG 2001 § 87 Betriebliche Lohngestaltung Nr. 14). AuchGesetzesänderungen können die Geschäftsgrundlage eines Vertrags so verändern, dass Leistung undGegenleistung nicht mehr in dem zuvor vereinbarten Verhältnis stehen und die vertraglichen Absprachen nachden Regeln über den Wegfall oder die Änderung der Geschäftsgrundlage anzupassen sind (BAG 25. Juli 1990 –5 AZR 394/89 – zu II 2 a der Gründe, aaO).

(2) Danach ist der Beklagten wegen Aufnahme der Tätigkeit des Klägers in die Entgeltgruppe 11 ERA-TV dasFesthalten am bisherigen „AT-Vertrag“ nicht unzumutbar. Eine im kündigungsrechtlichen Sinne beachtlicheÄquivalenzstörung zwischen Leistung und Gegenleistung ist damit nicht verbunden. Es liegt im Risikobereich desArbeitgebers, dass er die Tätigkeit des Arbeitnehmers im Rahmen eines frei ausgehandelten Vertrags höherdotiert, als dies einer späteren tariflichen Bewertung entspricht. Ohnehin sind Tariflöhne Mindestlöhne. DemArbeitgeber ist es grundsätzlich nicht verwehrt, seine Arbeitnehmer übertariflich zu vergüten (so schon BAG 24.Mai 1960 – 3 AZR 444/57 – AP BGB § 620 Änderungskündigung Nr. 2). Es kommt hinzu, dass gem. § 1 Ziff. 3ERA-TV dessen Regelungen nur für Arbeitnehmer gelten, die unter den persönlichen Geltungsbereich derManteltarifverträge für die bayerische Metall- und Elektroindustrie fallen. Aufgrund des im Zeitpunkt derÄnderungskündigung unverändert fortgeltenden § 1 Ziff. 3 Abs. (II) Buchst. d MTV-Ang idF vom 24. Mai 2002 kames damit für die Stellung eines Arbeitnehmers als außertariflicher Angestellter weiterhin darauf an, ob sein Gehalt25 % über dem Gehalt der Gehaltsgruppe VII MTV-Ang lag. Der Kläger wurde folglich – unabhängig von einerbestehenden Gewerkschaftszugehörigkeit – von den Regelungen des ERA-TV und des ERA-ETV nicht erfasst.Das gleiche gilt für die Regelungen der Rahmen-BV. Auch sie gelten gem. § 2 Satz 2 Rahmen-BV nur für die„tariflichen MitarbeiterInnen“ der Beklagten. Die Einführung des ERA-TV und die damit verbundene Neuordnungder tariflichen Entgeltgruppenordnung sollte demzufolge auf den Status der außertariflichen Angestellten undderen Beschäftigungsverhältnisse ersichtlich – vorerst – keinen Einfluss haben. Dies wird bestätigt durch Ziff. 3des Verhandlungsergebnisses vom 1. November 2005 zum Abschluss eines GemeinsamenEntgeltrahmentarifvertrags für die bayerische Metall- und Elektroindustrie. Danach „gilt auch nach derbetrieblichen Einführung des ERA-TV bis zur Vereinbarung eines gemeinsamen Manteltarifvertrages die ‚AT-Grenze’ des § 1 Ziff. 3 Abs. (II) Buchst. d MTV-Ang, d.h. sie berechnet sich weiterhin bezogen auf das jeweils

geltende höchste Tarifgehalt (Gehaltsgruppe VII, 4. Berufsjahr)“. Ein gemeinsamer Manteltarifvertrag für alleArbeitnehmer der bayerischen Metall- und Elektroindustrie mit Ausnahme der Auszubildenden, der auch eineNeuregelung des Gehaltsabstands enthält, wurde erst am 23. Juni 2008 mit Wirkung zum 1. Juli 2008abgeschlossen.

4. Fehlt es bereits an einem die Änderungen der Arbeitsbedingungen rechtfertigenden dringenden betrieblichenErfordernis, kommt es nicht mehr darauf an, ob sich das umstrittene Änderungsangebot auch aus anderenGründen als unwirksam erweist.