Streit über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Verdachtskündigung, BAG Urteil vom 24. Mai 2012 8Sa 249/10
URTEIL
In Sachen
Kläger, Berufungskläger und Revisionskläger,
pp.
Beklagte, Berufungsbeklagte und Revisionsbeklagte,
hat der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgrund der mündlichen
Verhandlung vom 24. Mai 2012 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesarbeitsgericht Kreft, die Richterin am Bundesarbeitsgericht Berger, den Richter
am Bundesarbeitsgericht Prof. Dr. Koch sowie die ehrenamtlichen Richter Gans
und Löllgen für Recht erkannt:
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts
München vom 20. Oktober 2010 – 8 Sa
249/10 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen,
hilfsweise ordentlichen Verdachtskündigung.
Der 1953 geborene Kläger war seit Januar 2002 bei der Beklagten – einer
bundesunmittelbaren juristischen Person des öffentlichen Rechts mit Sitz in
F – als Ingenieur beschäftigt. Seine Tätigkeit verrichtete er in einer nach M
ausgelagerten „Fachstelle/Bau“ der Abteilung „Zentrales Baumanagement“. In
seine Zuständigkeit fiel die Abwicklung von Bau- und sonstigen Sanierungsvorhaben
im Bereich der M Außenstelle der Beklagten und an ihren Liegenschaften
in B und R.
Der Kläger betreute ua. das Projekt „Erneuerung der Brandschutzklappen
des Dienstgebäudes B“. Um den Auftrag bewarb sich die A GmbH (im
Folgenden: GmbH), die schon zuvor in dem Dienstgebäude mit regelmäßigen
Wartungsarbeiten betraut war. Anfang März 2008 gab sie ein erstes Angebot
und unter dem 11. März 2008 ein zweites, inhaltlich erweitertes Angebot mit
einer Angebotssumme von 122.652,68 Euro ab.
Ein von der Beklagten beauftragtes Ingenieurbüro befürwortete im Hinblick
auf das zweite Angebot die Vergabe des Auftrags an die GmbH, allerdings
mit der Einschränkung, dass bestimmte Positionen wegen zu hoher Zeitansätze
bzw. Einheitspreise nachzuverhandeln seien. Die Unterlagen reichte der Kläger
an das Servicezentrum der Beklagten in F weiter. Nachdem von dort die Höhe
des Angebots beanstandet worden war, reduzierte die GmbH nach Verhandlungen
mit dem Kläger das zweite Angebot um einen Betrag von
10.499,75 Euro. Auf Vorschlag des Klägers und nach Gegenzeichnung durch
seinen Vorgesetzten sowie weiteren Genehmigungen über mehrere Hierarchieebenen
wurde der GmbH im Wege einer freihändigen Vergabe der Zuschlag
erteilt.
Aufgrund einer Selbstanzeige des Geschäftsführers der GmbH leitete
die Staatsanwaltschaft gegen den Kläger ein Ermittlungsverfahren wegen des
Verdachts der versuchten Erpressung und Bestechlichkeit ein. Am 4. Februar
2009 wurden die Privatwohnung des Klägers und die Geschäftsräume der M
Außenstelle der Beklagten durchsucht. Der Beklagten wurde der Durchsuchungsbeschluss
des Amtsgerichts M vom 21. November 2008 eröffnet, der
eine detaillierte Darstellung des zugrunde liegenden Sachverhalts enthält.
Insbesondere ist dort der Inhalt mehrerer Gespräche wiedergegeben, die
zwischen dem Kläger und dem Geschäftsführer geführt worden sein sollen. Bei
der Beklagten wurden Geschäftsunterlagen betreffend die Projekte „Erneuerung
der Brandschutzklappen“ und „Umbau Zu- und Abluftanlage“ beschlagnahmt,
darunter Unterlagen von Firmen, die hierauf bezogen Angebote abgegeben
hatten. Ein dem Kläger am Folgetag eröffneter Haftbefehl wurde gegen Auflagen
außer Vollzug gesetzt.
Mit Schreiben vom 5. Februar 2009 stellte die Beklagte den Kläger von
seiner Verpflichtung zur Arbeitsleistung frei. Zugleich teilte sie mit, er sei verdächtig,
am 15. Februar 2008 vom Geschäftsführer der GmbH eine Gegenleistung
in Höhe von 10 vH des Auftragswerts dafür gefordert zu haben, dass er
sich in besonderer Weise für eine Beauftragung der GmbH durch die Beklagte
einsetzen würde. Außerdem stehe er im Verdacht, im August 2008 das Angebot
des Geschäftsführers der GmbH angenommen zu haben, ihm ohne finanzielle
Gegenleistung eine Ferienwohnung am Gardasee für eine Woche zur Verfügung
zu stellen. Um dem Kläger Gelegenheit zu geben, sich zu den Vorwürfen
zu äußern, lud sie ihn zu einem Gespräch am Montag, dem 9. Februar 2009, in
ihre F Zentrale ein.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 6. Februar 2009 sagte der Kläger seine
Teilnahme an dem Gespräch ab. Er berief sich mit Blick auf das laufende
staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren auf sein Schweigerecht. Gleichwohl
sei er bereit, eine schriftliche Stellungnahme abzugeben, wozu er einen
Fragenkatalog erbitte. Mit Schreiben vom selben Tag teilte die Beklagte dem
Kläger unter Beifügung einer Kopie des Durchsuchungsbeschlusses vom
21. November 2008 mit, es stehe ihm frei, sich schriftlich zu den in dem Beschluss
angeführten Verdachtstatsachen zu äußern. Sie erwarte den Eingang
einer Stellungnahme „bis Dienstschluss“ am 9. Februar 2009. Einen Fragenkatalog
werde sie nicht erstellen.
Mit Schreiben vom 9. Februar 2009 erklärte der Kläger, ihm sei noch
keine Akteneinsicht gewährt worden. Die gegen ihn erhobenen Vorwürfe wies
er pauschal als unzutreffend zurück. Weder bei seinem ersten Zusammentreffen
noch zu einem späteren Zeitpunkt habe er den mitbeschuldigten Geschäftsführer
zu Zahlungen im Zusammenhang mit einer möglichen Beauftragung
aufgefordert. Er habe auch keine finanziellen Zuwendungen oder einen geldwerten
Vorteil sonstiger Art erhalten. Hinsichtlich der Ferienwohnung am Gardasee
sei anzumerken, dass er gemeinsam mit seiner Ehefrau bereits Monate
zuvor einen Hotelurlaub an der Adria gebucht und gezahlt habe, wie aus einer
beigefügten Buchungsbestätigung hervorgehe.
Nach Beteiligung des Gesamtpersonalrats kündigte die Beklage das
Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 12. Februar 2009 außerordentlich fristlos.
Mit Schreiben vom 26. Februar 2009 erklärte sie hilfsweise eine ordentliche
Kündigung zum 30. Juni 2009. Gegen beide Kündigungen erhob der Kläger
rechtzeitig die vorliegende Klage.
Der Kläger hat geltend gemacht, die Kündigungen seien unwirksam.
Die Voraussetzungen für eine Verdachtskündigung lägen nicht vor. Die Beklagte
habe sich nicht auf eine Aussage des Geschäftsführers im staatsanwaltschaftlichen
Ermittlungsverfahren stützen dürfen, sondern habe eigene Nachforschungen
anstellen müssen. Der Geschäftsführer sei nicht glaubwürdig.
Diesem sei Straffreiheit zugesichert worden. Auch habe er wohl angesichts der
knappen Kalkulation der Aufträge seinen Betrieb gefährdet gesehen und ihn
– den Kläger – aus dem Weg räumen wollen. Er selbst habe keinen bestimmenden
Einfluss auf die Vergabe von Aufträgen durch die Beklagte gehabt. Sollte je
ein dringender Tatverdacht bestanden haben sei dieser mit der am 3. März
2010 – unstreitig – erfolgten Aufhebung des Haftbefehls entfallen. Die Erhebung
der öffentlichen Klage vom 8. April 2010 und die anschließende Eröffnung des
Hauptverfahrens ließen keine andere Bewertung zu. Diese Entscheidungen
erforderten nur ein geringeres Maß an Tatverdacht. Eine im Verlauf des Rechtsstreits
von der Beklagten veranlasste Innenrevision habe keine Unregelmäßigkeiten
ergeben. Die Beklagte habe ihn vor der Kündigung nicht ausreichend
angehört. Die Äußerungsfrist sei zu kurz gewesen und habe ihm keine substantiierte
Stellungnahme ermöglicht. Mangels konkreter Vorgaben habe er nicht
erkennen können, zu welchen Sachverhalten und/oder Tatsachen er sich habe
äußern sollen. Die Beklagte habe es versäumt, auf ihre Kündigungsabsicht
hinzuweisen.
Der Kläger hat beantragt
1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen
den Parteien durch die Kündigung der Beklagten
vom 12. Februar 2009 nicht aufgelöst worden ist;
2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen
den Parteien auch durch die Kündigung der Beklagten
vom 26. Februar 2009 nicht aufgelöst worden ist
und weiter fortbesteht.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung
vertreten, ein wichtiger Grund zur Kündigung liege vor, zumindest sei die
ordentliche Kündigung sozial gerechtfertigt. Der Kläger sei einer Bestechlichkeit
und der versuchten Erpressung verdächtig. Grundlage hierfür seien die im
Durchsuchungsbeschluss festgehaltenen Ermittlungsergebnisse. Soweit diese
auf Aussagen des Geschäftsführers der GmbH beruhten, habe sie keinen
Anlass gehabt, an dessen Glaubwürdigkeit zu zweifeln. Auch die Strafverfolgungsbehörden
hätten offenkundig einen dringenden Tatverdacht angenommen,
da ein Haftbefehl nur unter dieser Voraussetzung habe erlassen werden
dürfen. Deren Erkenntnisse und Bewertungen mache sie sich zu eigen. Der
Kläger habe an der Aufklärung des Sachverhalts nicht nach Kräften mitgewirkt.
Weitere Ermittlungen habe sie weder anstellen müssen, noch sei sie dazu nach
Beschlagnahme ihrer Geschäftsunterlagen in der Lage gewesen. Soweit der
Kläger wegen der Ferienwohnung am Gardasee darauf verwiesen habe, vom
6. bis 13. September 2008 andernorts in Italien eine Unterkunft gebucht zu
haben, sei dies angesichts des bis zum 26. September 2008 bewilligten Urlaubs
nicht geeignet, den Vorwurf der Bestechlichkeit zu entkräften. Ebenso wenig
komme es darauf an, ob der Kläger die Unterkunft tatsächlich genutzt habe.
Entscheidend sei, dass er sich den Vorteil habe versprechen lassen.
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt
der Kläger sein Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Die außerordentliche Kündigung vom
12. Februar 2009 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien mit sofortiger Wirkung
aufgelöst. Damit bleibt auch die Klage gegen die ordentliche Kündigung erfolglos.
I. Nach § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem
Grund außerordentlich gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund
derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls
und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des
Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten
Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann.
1. Auch der Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung kann einen
wichtigen Grund bilden. Ein solcher Verdacht stellt gegenüber dem Vorwurf, der
Arbeitnehmer habe die Tat begangen, einen eigenständigen Kündigungsgrund
dar. Eine Verdachtskündigung kann gerechtfertigt sein, wenn sich starke Verdachtsmomente
auf objektive Tatsachen gründen, die Verdachtsmomente
geeignet sind, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche
Vertrauen zu zerstören, und der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen
zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen, insbesondere dem Arbeitnehmer
Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat (st. Rspr., BAG 25. November
2010 – 2 AZR 801/09 – Rn. 16, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung
Nr. 48 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 9; 23. Juni
2009 – 2 AZR 474/07 – Rn. 51, BAGE 131, 155).
2. Der Verdacht muss auf konkrete – vom Kündigenden ggf. zu beweisende
– Tatsachen gestützt sein. Der Verdacht muss ferner dringend sein. Es muss
eine große Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass er zutrifft (BAG 25. November
2010 – 2 AZR 801/09 – AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung
Nr. 48 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 9; 12. Mai
2010 – 2 AZR 587/08 – Rn. 27, AP KSchG 1969 § 15 Nr. 67 = EzA KSchG
§ 15 nF Nr. 67). Die Umstände, die ihn begründen, dürfen nach allgemeiner
Lebenserfahrung nicht ebenso gut durch ein Geschehen zu erklären sein, das
eine außerordentliche Kündigung nicht zu rechtfertigen vermöchte. Bloße, auf
mehr oder weniger haltbare Vermutungen gestützte Verdächtigungen reichen
dementsprechend zur Rechtfertigung eines dringenden Tatverdachts nicht aus
(BAG 29. November 2007 – 2 AZR 724/06 – Rn. 30, AP BGB § 626 Verdacht
strafbarer Handlung Nr. 40 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung
Nr. 5; 10. Februar 2005 – 2 AZR 189/04 – AP KSchG 1969 § 1 Nr. 79 = EzA
KSchG § 1 Verdachtskündigung Nr. 3). Schließlich muss der Arbeitgeber alles
ihm Zumutbare zur Aufklärung des Sachverhalts getan, insbesondere dem
Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben haben (BAG 23. Juni
2009 – 2 AZR 474/07 – Rn. 51, BAGE 131, 155; 10. Februar 2005 – 2 AZR
189/04 – Rn. 28, aaO). Der Umfang der Nachforschungspflichten richtet sich
nach den Umständen des Einzelfalls (BAG 23. Juni 2009 – 2 AZR 474/10 – aaO;
10. Februar 2005 – 2 AZR 189/04 – aaO).
3. Für die kündigungsrechtliche Beurteilung der Pflichtverletzung, auf die
sich der Verdacht bezieht, ist ihre strafrechtliche Bewertung nicht maßgebend.
Entscheidend ist der Verstoß gegen vertragliche Haupt- oder Nebenpflichten
und der mit ihm verbundene Vertrauensbruch (BAG 25. November 2010
– 2 AZR 801/09 – Rn. 17, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 48 =
EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 9; 10. Juni 2010
– 2 AZR 541/09 – Rn. 30, BAGE 134, 349). Auch der dringende Verdacht einer
nicht strafbaren, gleichwohl erheblichen Verletzung der sich aus dem Arbeitsverhältnis
ergebenden Pflichten kann ein wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1
BGB sein (BAG 25. November 2010 – 2 AZR 801/09 – Rn. 17, aaO).
II. Danach liegt „an sich“ ein wichtiger Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB vor.
1. Wer als Arbeitnehmer bei der Ausführung von vertraglichen Aufgaben
Vorteile für sich fordert, sich versprechen lässt oder entgegen nimmt, verletzt
zugleich – unabhängig von einer möglichen Strafbarkeit wegen Bestechlichkeit
im geschäftlichen Verkehr nach § 299 Abs. 1 StGB oder – als Beschäftigter im
öffentlichen Dienst – wegen Vorteilsannahme nach § 331 Abs. 1 StGB bzw.
Bestechlichkeit nach § 332 Abs. 1 StGB – seine Pflicht, auf die berechtigten
Interessen seines Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen (§ 241 Abs. 2 BGB). Ein
solches Verhalten ist „an sich“ geeignet, eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen.
Dabei spielt es grundsätzlich keine Rolle, ob es zu einer den Arbeitgeber
schädigenden Handlung gekommen ist. Der ins Auge gefasste Vorteil begründet
vielmehr allgemein die Gefahr, der Annehmende werde nicht mehr allein die
Interessen des Geschäftsherrn wahrnehmen. Der wichtige Grund liegt in der zu
Tage getretenen Einstellung des Arbeitnehmers, bei der Erfüllung von arbeitsvertraglich
geschuldeten Aufgaben unberechtigte eigene Vorteile wahrzunehmen.
Durch sein Verhalten zerstört der Arbeitnehmer regelmäßig das Vertrauen
in seine Zuverlässigkeit und Redlichkeit (BAG 26. September 2002 – 2 AZR
424/01 – zu B I 2 a der Gründe, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung
Nr. 37 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 1; 21. Juni
2001 – 2 AZR 30/00 – zu B III 2 a der Gründe, EzA BGB § 626 Unkündbarkeit
Nr. 7). Auch der dringende Verdacht einer derartigen Pflichtverletzung kann
einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung darstellen (BAG
26. September 2002 – 2 AZR 424/01 – zu B I 2 b der Gründe, aaO).
2. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, der Kläger sei im Kündigungszeitpunkt
einer in diesem Sinne schwerwiegenden Pflichtverletzung
dringend verdächtig gewesen, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
a) Die Beklagte hat sich für den Verdacht auf den im Durchsuchungsbeschluss
vom 21. November 2008 wiedergegebenen Sachverhalt berufen.
Danach soll der Kläger – zusammengefasst – den Geschäftsführer der GmbH
Mitte Februar 2008 aufgefordert haben, ihm eine Gegenleistung iHv. 10 vH des
Werts des Auftrags betreffend die Brandschutzklappensanierung dafür zu
gewähren, dass er sich in besonderer Weise für die Vergabe von Aufträgen an
die GmbH einsetze. Nachdem der Geschäftsführer ihm in einem Telefonat vom
10. März 2008 mitgeteilt habe, er werde den geforderten Betrag nicht zahlen,
soll der Kläger ihn gefragt haben, ob er sich diese Weigerung auch gut überlegt
habe; diese Haltung könne Konsequenzen nach sich ziehen. Die Äußerungen
soll der Kläger am 5. August 2008 anlässlich einer Besprechung in der Räumlichkeiten
der Bu sinngemäß wiederholt und nachfolgend das Angebot des
Geschäftsführers, ihm eine Ferienwohnung am Gardasee zur Verfügung zu
stellen, angenommen haben.
b) Mit der Bezugnahme auf diese Sachverhaltsdarstellung hat die Beklagte
hinreichend objektive Tatsachen aufgezeigt, die den Verdacht begründen,
der Kläger habe sich in Bezug auf seine Berufstätigkeit Geld bzw. geldwerte
Vorteile von einem Vertragspartner der Beklagten versprechen lassen und
diesen zu dem Versprechen durch das Inaussichtstellen eines möglichen
Auftragsverlusts genötigt. Die Beklagte beruft sich dazu nicht auf bloße Mutmaßungen
oder Spekulationen, sondern auf einen greifbaren, durch die Strafverfolgungsbehörden
ermittelten und in dem Durchsuchungsbeschluss über
mehrere Seiten hinweg hinsichtlich Tatzeit und Tatgeschehen detailliert beschriebenen
Sachverhalt. Dass dieser Sachverhalt im Wesentlichen auf den
Angaben des im Ermittlungsverfahren mitbeschuldigten Geschäftsführers der
GmbH über den Inhalt mit dem Kläger geführter Vieraugengespräche beruht
und mit dessen Aussage „steht und fällt“, steht dem Umstand, dass es sich
dabei um objektive Verdachtstatsachen handelt, nicht entgegen. Die Beklagte
hatte keinen durchgreifenden Anlass, die Glaubhaftigkeit der Angaben des
Geschäftsführers in Zweifel zu ziehen. Auch wenn diesem – wie der Kläger im
Verlauf des Kündigungsrechtsstreits behauptet hat – Straffreiheit zugesagt
worden sein sollte, ist nicht erkennbar – und ist es fernliegend -, dass sich diese
Zusage auch auf den Straftatbestand der falschen Verdächtigung (§ 164 StGB)
bezöge. Möglichen Unsicherheiten in Bezug auf die Beweisführung hat die
Beklagte dadurch Rechnung getragen, dass sie die Kündigung auf den Verdacht
und nicht auf die Erwiesenheit einer Tat stützt.
c) Demgegenüber bringt der Kläger lediglich vor, das Landesarbeitsgericht
sei zu Unrecht von der Dringlichkeit des Verdachts ausgegangen. Insbesondere
habe es verkannt, dass sich die Beklagte hierfür nicht auf den gegen ihn erlassenen
Haftbefehl habe berufen dürfen. Damit hat der Kläger die den Verdacht
begründenden Tatsachen nicht entkräftet.
aa) Im Strafverfahren gewonnene Erkenntnisse oder Handlungen der
Strafverfolgungsbehörden können die Annahme verstärken, der Arbeitnehmer
habe die Pflichtverletzung begangen (BAG 27. Januar 2011 – 2 AZR 825/09 –
Rn. 17, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 49 = EzA BGB 2002
§ 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 10; 5. Juni 2008 – 2 AZR 234/07 –
Rn. 25, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 44 = EzA BGB 2002
§ 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 7; SPV/Preis 10. Aufl. Rn. 711). Derartige
Umstände können nicht nur bei der Frage Bedeutung gewinnen, zu
welchem Zeitpunkt eine Verdachtskündigung ausgesprochen werden soll, und
deshalb für die Einhaltung der Zweiwochenfrist von Bedeutung sein (BAG
27. Januar 2011 – 2 AZR 825/09 – Rn. 17, aaO). Sie können auch den Kündigungsgrund
selbst unterstützen, sofern es um Handlungen oder Anordnungen
der Ermittlungsbehörden geht, die ihrerseits einen dringenden Tatverdacht
voraussetzen (vgl. BAG 29. November 2007 – 2 AZR 724/06 – Rn. 38, AP BGB
§ 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 40 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht
strafbarer Handlung Nr. 5). Das trifft auf den in Rede stehenden Haftbefehl
grundsätzlich zu. Nach § 112 Abs. 1 iVm. § 114 StPO darf Untersuchungshaft
gegen den Beschuldigten nur angeordnet werden, wenn er der Tat dringend
verdächtig ist und – kumulativ – ein Haftgrund besteht. Hinzu kommt, dass die
Staatsanwaltschaft der materiellen Wahrheit verpflichtet ist und deshalb nach
§ 160 Abs. 2 StPO auch den Beschuldigten entlastende Umstände zu ermitteln
und bei ihrem Vorgehen zu berücksichtigen hat (Löwe/Rosenberg/Erb StPO
§ 160 Rn. 47 mwN). Gleiches gilt für den Ermittlungsrichter, der über die Anordnung
von Untersuchungshaft entscheidet.
bb) Allerdings wird die Verdachtskündigung nicht allein auf eine den dringenden
Tatverdacht bejahende Entscheidung der Strafverfolgungsbehörden als
solche gestützt werden können. Bei der Kündigung wegen erwiesener Tat reicht
eine strafgerichtliche Verurteilung für sich genommen nicht aus, die Kündigung
zu rechtfertigen. Vielmehr sind die Arbeitsgerichte gehalten, den Sachverhalt im
Kündigungsschutzprozess ohne Bindung an das Strafurteil selbst aufzuklären
und zu bewerten (BAG 18. November 1999 – 2 AZR 852/98 – zu II 2 a der
Gründe, BAGE 93, 12; 26. März 1992 – 2 AZR 519/91 – zu B II 4 und III 3 b, dd
der Gründe, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 23 = EzA BGB
§ 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 4). Für die Verdachtskündigung wird
nichts anderes gelten können. Dies hat zur Folge, dass Handlungen oder
Entscheidungen der Strafverfolgungsbehörden allenfalls indizielle Bedeutung
für die vom Gericht vorzunehmende Bewertung erlangen können, ob die Kündigung
des Arbeitsverhältnisses aus wichtigem Grund wegen des entsprechenden
Verdachts gerechtfertigt ist. Die behördlichen Maßnahmen bilden dagegen
für sich genommen keinen Kündigungsgrund und sind nicht geeignet, eine
eigene Bewertung der den Verdacht begründenden Tatsachen durch die mit der
Sache befassten Gerichte zu ersetzen. Im Ergebnis kommt es hierauf nicht an.
(1) Das Landesarbeitsgericht hat seine Auffassung, die Beklagte habe im
Kündigungszeitpunkt davon ausgehen dürfen, der Kläger sei der ihm vorgeworfenen
Taten dringend verdächtig, nicht mit dem Haftbefehl als solchem begründet.
Es hat vielmehr angenommen, die Beklagte habe sich auf der Grundlage
bekannter Verdachtstatsachen die Einschätzung der Ermittlungsbehörden zur
Dringlichkeit des Verdachts zu eigen gemacht.
(2) Daran anknüpfend hat es weiter geprüft, ob sich der Verdacht aufgrund
des Parteivorbringens im vorliegenden Verfahren als weniger intensiv darstellt.
Seine Auffassung, dies sei nicht der Fall, hat es im Wesentlichen damit begründet,
Manipulationen bei der Preisgestaltung seien den Umständen nach nicht
auszuschließen. Das gelte auch dann, wenn das zweite Angebot der GmbH
vom 11. März 2008 – wie vom Kläger behauptet – auf der Grundlage des Leistungsverzeichnisses
des hinzugezogenen Ingenieurbüros erfolgt sei. Dieser
Umstand entlaste den Kläger nicht, weil schon der Umfang der auf 38 Seiten
zusammengestellten Angebotspositionen die Chance erhöhe, dass unbemerkt
einzelne preisrelevante Posten höher als erforderlich kalkuliert würden. Außerdem
sei eine mögliche Preismanipulation durch die später, allerdings erst auf
Initiative des Servicezentrums der Beklagten tatsächlich erreichte deutliche
Reduzierung des Angebotspreises indiziert.
(a) Diese Würdigung ist, soweit sie auf tatsächlichem Gebiet liegt, revisionsrechtlich
nur daraufhin überprüfbar, ob sie in sich widerspruchsfrei ist und
nicht gegen Denkgesetze, Erfahrungssätze oder andere Rechtssätze verstößt
(BAG 27. Januar 2011 – 8 AZR 580/09 – EzA AGG § 22 Nr. 3; 7. November
2002 – 2 AZR 599/01 – AP KSchG 1969 § 1 Krankheit Nr. 40 = EzA KSchG § 1
Krankheit Nr. 50; 1. Oktober 1997 – 5 AZR 685/96 – BAGE 86, 347 mwN). Einen
derartigen Rechtsfehler zeigt der Kläger nicht auf.
(b) Die Wertung des Landesarbeitsgerichts ist grundsätzlich möglich. Das
gilt umso mehr, als der Kläger keinen Grund dafür benannt hat, warum er als
zuständiger Sachbearbeiter das Angebot an das Servicezentrum der Beklagten
in F weitergeleitet hat, ohne auf die vom Ingenieurbüro beanstandeten Punkte
einzugehen. Selbst wenn er sich damit im Rahmen bestehender Richtlinien
bewegt haben sollte, fügt sich sein Vorgehen immerhin in das „Bild“ der gegen
ihn erhobenen Anschuldigungen. Die Rüge der Revision, das Landesarbeitsgericht
habe in Erwägung ziehen müssen, dass vereinzelt falsche Mengen zu dem
überhöhten Angebotspreis vom 11. März 2008 geführt hätten, ist unbegründet.
Nach dem Tatbestand des Berufungsurteils hat das Ingenieurbüro eine Nachverhandlung
des betreffenden Angebots wegen zu hoher Zeitansätze und
Einheitspreise vorgeschlagen. Daran knüpfen die Ausführungen des Gerichts
an. Das Landesarbeitsgericht hat dabei nicht den Vortrag des Klägers übergangen,
er habe auf die Auftragsvergabe keinen bestimmenden Einfluss nehmen
können. Es hat das Vorbringen im Tatbestand seines Urteils erwähnt und im
Rahmen seiner rechtlichen Ausführungen (unter II 1.2.1.2 der Entscheidungsgründe)
gewürdigt. Dass es darin keinen Umstand erblickt hat, der die Intensität
des Verdachts hätte vermindern können, begründet keinen Rechtsfehler im
aufgezeigten Sinne. Im Übrigen schließt das Fehlen einer Möglichkeit zur
internen Einflussnahme nicht aus, dass sich der Arbeitnehmer nach außen
einer solchen berühmt. Soweit der Kläger gemeint hat, die Ausführungen des
Landesarbeitsgerichts seien „lebensfremd“, setzt er seine eigene Bewertung
der Abläufe an die Stelle derjenigen des Landesarbeitsgerichts. Das macht
dessen Würdigung nicht rechtsfehlerhaft.
d) Die Beklagte hat ihre Verpflichtung nicht verletzt, den Verdacht so weit
wie möglich aufzuklären. Insbesondere hat sie den Kläger vor der Kündigung
ordnungsgemäß angehört.
aa) Die vorherige Anhörung des Arbeitnehmers ist Wirksamkeitsvoraussetzung
der Verdachtskündigung. Bei dieser besteht in besonderem Maße die
Gefahr, dass der Arbeitnehmer zu Unrecht beschuldigt wird. Dessen Anhörung
ist deshalb ein Gebot der Verhältnismäßigkeit. Unterbliebe sie, wäre die Kündigung
nicht „ultima ratio“ (BAG 23. Juni 2009 – 2 AZR 474/07 – Rn. 51,
BAGE 131, 155; 13. März 2008 – 2 AZR 961/06 – Rn. 14 mwN, AP BGB § 626
Verdacht strafbarer Handlung Nr. 43 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer
Handlung Nr. 6).
bb) Der dringende Verdacht einer schwerwiegenden Verfehlung kann nur
dann für den Ausspruch einer Kündigung genügen, wenn es weder gelungen
ist, ihn auszuräumen, noch gelungen ist, die erhobenen Vorwürfe auf eine
sichere Grundlage zu stellen (BAG 28. November 2007 – 5 AZR 952/06 –
Rn. 19, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 42 = EzA BGB 2002
§ 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 4). Die Anhörung des Arbeitnehmers ist
deshalb ein stets gebotenes Mittel der Sachverhaltsaufklärung. Ihr Umfang
richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Einerseits muss sie nicht in
jeder Hinsicht den Anforderungen genügen, die an eine Anhörung des Betriebsrats
nach § 102 Abs. 1 BetrVG gestellt werden (BAG 13. März 2008 – 2 AZR
961/06 – Rn. 15, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 43 = EzA
BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 6; 26. September 2002
– 2 AZR 424/01 – zu B I 1 b bb der Gründe, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer
Handlung Nr. 37 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 1).
Andererseits reicht es nicht aus, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer lediglich
mit einer allgemein gehaltenen Wertung konfrontiert. Die Anhörung muss
sich auf einen greifbaren Sachverhalt beziehen. Der Arbeitnehmer muss die
Möglichkeit haben, bestimmte, zeitlich und räumlich eingegrenzte Tatsachen
ggf. zu bestreiten oder den Verdacht entkräftende Tatsachen aufzuzeigen und
so zur Aufhellung der für den Arbeitgeber im Dunkeln liegenden Geschehnisse
beizutragen. Um dieser Aufklärung willen wird dem Arbeitgeber die Anhörung
abverlangt. Sie ist nicht etwa dazu bestimmt, als verfahrensrechtliche Erschwernis
die Aufklärung zu verzögern und die Wahrheit zu verdunkeln (BAG
13. März 2008 – 2 AZR 961/06 – aaO).
cc) Diesen Anforderungen wird die Anhörung des Klägers gerecht. Die
Beklagte hat ihm die konkreten Vorwürfe bekannt gemacht und hinreichend Zeit
für eine Stellungnahme eingeräumt. Eines ausdrücklichen Hinweises auf eine
bestehende Kündigungsabsicht bedurfte es nicht.
(1) Die Beklagte hat den Kläger mit Schreiben vom 5. und 6. Februar 2009
mit dem gegen ihn gehegten Verdacht konfrontiert. Aufgrund der Mitteilungen
im ersten Schreiben wusste der Kläger, dass es im Kern um zwei Sachverhalte
geht. Die Darstellung der Vorwürfe war ausreichend. Der Kläger konnte angesichts
des dem Schreiben vom 6. Februar 2009 beigefügten Durchsuchungsbeschlusses
und der dort enthaltenen ausführlichen Darstellung des maßgebenden
Sachverhalts in räumlicher und zeitlicher Hinsicht nicht im Unklaren sein,
über welchen Kenntnisstand die Beklagte verfügte und auf welche Umstände
sie den Verdacht stützte. Einen Katalog von Fragen – wie vom Kläger erbeten –
brauchte die Beklagte nicht zu formulieren. Zweck möglichst der Anhörung
ist die Aufklärung des belastenden Sachverhalts in seiner Gänze, und zwar auch
in Richtung auf eine mögliche Entlastung. Der Arbeitnehmer soll Gelegenheit
erhalten, sich unbefangen mit den Vorwürfen des Arbeitgebers auseinanderzusetzen,
weil möglicherweise schon seine spontane Reaktion zu einer Entlastung
führt (Ebeling Die Kündigung wegen Verdachts S. 167). Diesem Zweck liefe die
Formulierung konkreter Fragen zuwider.
(2) Die dem Kläger im zweiten Schreiben eingeräumte Frist zur Stellungnahme
„bis Dienstschluss“ am Montag, dem 9. Februar 2009, war zwar knapp
bemessen. Der Kläger hat aber weder dargelegt, dass und ggf. warum ihm
tatsächlich eine sachangemessene Äußerung binnen der Frist nicht zumutbar
war, noch sind solche Umstände objektiv erkennbar. Das gilt umso mehr, als
die ihm eingeräumte Möglichkeit zur schriftlichen Äußerung seinem Wunsch
entsprach und die – allemal rechtzeitige – Einladung der Beklagten zu dem
Gesprächstermin am 9. Februar 2009 nicht aufhob. Soweit mit Blick auf die
Zweiwochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB für Aufklärungsbemühungen des
Arbeitgebers im Wege der Anhörung des Arbeitnehmers in der Regel eine Frist
von einer Woche zu veranschlagen ist (BAG 27. Januar 2011 – 2 AZR 825/09 –
Rn. 22, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 49 = EzA BGB 2002
§ 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 10), folgt daraus nicht, dass dem
Arbeitnehmer stets eine entsprechend lange Frist zur Stellungnahme einzuräumen
wäre. Das gilt auch angesichts der dem Arbeitnehmer grundsätzlich
zuzugestehenden Möglichkeit, einen Rechtsanwalt hinzuzuziehen (vgl. insoweit
BAG 13. März 2008 – 2 AZR 961/06 – Rn. 18, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer
Handlung Nr. 43 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung
Nr. 6). Im Übrigen hat der Kläger in seinem Schreiben vom 9. Februar 2009
Stellung genommen, ohne um eine Verlängerung der Frist nachzusuchen.
Daraus durfte die Beklagte folgern, es habe sich um eine abschließende Äußerung
gehandelt. Dass sich der Kläger vorbehalten hat, nach Einsicht in die
Ermittlungsakten zu einzelnen Punkten weiter Stellung zu beziehen, steht dem
nicht entgegen. Der Kläger hat nicht begründet, warum er sich zu welchen
Gesichtspunkten nicht abschließend hat erklären können oder wollen. Dessen
hätte es aber bedurft, da sich die Verdachtstatsachen auf Gegenstände seiner
eigenen Wahrnehmung bezogen und er keinen Anlass haben konnte anzunehmen,
die Beklagte verfüge über bessere Erkenntnisse als er selbst (ähnlich
BAG 26. September 2002 – 2 AZR 424/01 – zu B I 1 c der Gründe, AP BGB
§ 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 37 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht
strafbarer Handlung Nr. 1).
(3) Für die ordnungsgemäße Anhörung kommt es nicht darauf an, ob mit
der Angabe „Dienstschluss“ das Ende der dem Kläger eingeräumten Frist
hinreichend bestimmt bezeichnet worden ist. Die Beklagte hat sich gegenüber
den Erklärungen im Schreiben vom 9. Februar 2009 nicht auf Verspätung
berufen. Die Rüge des Klägers, das Landesarbeitsgericht habe nicht berücksichtigt,
dass die Beklagte ihr Anhörungsschreiben nicht mehr an ihn persönlich,
sondern an seinen bereits umfassend beauftragten Rechtsanwalt habe
übermitteln müssen, ist vor diesem Hintergrund nicht verständlich.
(4) Die Anhörung ist auch nicht deshalb unzureichend, weil die Beklagte
den Kläger nicht ausdrücklich auf eine bestehende Kündigungsabsicht für den
Fall hingewiesen hat, dass sich die Vorwürfe nicht ausräumen ließen. Es ist
bereits fraglich, ob den Arbeitgeber eine solche Verpflichtung trifft (bejahend
Fischer BB 2003, 522, 523; Seeling/Zwickel MDR 2008, 1022). In jedem Fall
bleibt die Nichterteilung eines Hinweises auf eine mögliche Kündigung dann
folgenlos, wenn für den Arbeitnehmer die Bestandsgefährdung des Arbeitsverhältnisses
erkennbar war. So liegt es hier. Die Beklagte hat den Kläger mit dem
Schreiben vom 5. Februar 2009 mit sofortiger Wirkung von der Arbeitsleistung
frei gestellt. Sie hat mitgeteilt, aufgrund des Verdachts und der Schwere der ihm
zugrunde liegenden Tat sei ihr seine Weiterbeschäftigung unzumutbar. Unter
diesen Umständen musste dem Kläger klar sein, dass der Fortbestand seines
Arbeitsverhältnisses aus Sicht der Beklagten ganz wesentlich von seiner Stellungnahme
abhing.
dd) Die Beklagte hat nicht andere Erkenntnismöglichkeiten ungenutzt
gelassen, insbesondere nur unzureichende eigene Ermittlungen angestellt.
Anhaltspunkte für weitere Aufklärungsbemühungen konnten sich angesichts der
Beschlagnahme relevanter Geschäftsunterlagen nur aus der Stellungnahme
des Klägers ergeben. Dieser hat sich darauf beschränkt, den Verdacht pauschal
von sich zu weisen. Er hat sich mit den im Durchsuchungsbeschluss
einzeln aufgeführten Gesprächen weder auseinandergesetzt, noch ihnen
substantiierten Vortrag entgegengehalten. Ohne eine detaillierte Erwiderung
hatte die Beklagte keinen Anlass, etwa den Geschäftsführer der GmbH selbst
zu befragen. Mit Blick auf das Angebot einer Ferienwohnung am Gardasee ist
die Beklagte den Angaben des Klägers zur Buchung einer angeblich zeitgleichen
Urlaubsreise an die Adria nachgegangen – mit dem Ergebnis, dass dieser
Umstand in Anbetracht der Dauer des dem Kläger bewilligten Urlaubs nacheinander
liegende Aufenthalte an beiden Orten nicht ausschloss.
3. Der Verdacht besteht weiterhin. Er wurde im Verlauf des Rechtsstreits
weder entkräftet, noch sind Umstände eingetreten, die zu seiner Abschwächung
geführt hätten.
a) Bei der Prüfung der Wirksamkeit einer Verdachtskündigung ist zu
berücksichtigen, dass der ursprüngliche Verdacht durch später bekannt gewordene
Umstände, jedenfalls soweit sie bei Kündigungszugang objektiv bereits
vorlagen, abgeschwächt oder verstärkt werden kann (BAG 12. Mai 2010
– 2 AZR 587/08 – Rn. 28, AP KSchG 1969 § 15 Nr. 67 = EzA KSchG § 15 nF
Nr. 67; 6. November 2003 – 2 AZR 631/02 – zu B II 1 c der Gründe, AP BGB
§ 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 39 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht
strafbarer Handlung Nr. 2). Eine Differenzierung danach, ob der Arbeitgeber
objektiv die Möglichkeit hatte, von den betreffenden Tatsachen bis zum Kündigungsausspruch
Kenntnis zu erlangen, ist nicht gerechtfertigt.
b) Demgegenüber hält das Landesarbeitsgericht nur solche Tatsachen für
berücksichtigungsfähig, die der Arbeitgeber bei Anwendung gebotener und
zumutbarer Sorgfalt hätte erkennen können. Dies überzeugt nicht. Hat der
Arbeitgeber entlastende Umstände deshalb nicht erkannt, weil er den Sachverhalt
nicht sorgfältig genug aufgeklärt hat, ist die Verdachtskündigung regelmäßig
schon aus diesem Grund unwirksam. Dass zugunsten des Arbeitnehmers
darüber hinaus Tatsachen berücksichtigungsfähig sind, die der Arbeitgeber
selbst nach zumutbaren Aufklärungsbemühungen noch nicht hat kennen können,
trägt der Besonderheit Rechnung, dass im Rahmen der Verdachtskündigung
nicht der volle Nachweis einer Pflichtverletzung verlangt wird. Blieben den
Arbeitnehmer entlastende Tatsachen, die erst im Prozess zutage getreten sind,
außer Betracht, hätte der Arbeitgeber ein sehr geringes Prozessrisiko. Er
müsste nur nachweisen, dass zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung ein
dringender Tatverdacht bestand. Das würde der bei der Verdachtskündigung
bestehenden Gefahr, einen Unschuldigen zu treffen, nicht gerecht (BAG
12. Mai 2010 – 2 AZR 587/08 – Rn. 28, AP KSchG 1969 § 15 Nr. 67 = EzA
KSchG § 15 nF Nr. 67). Die Gefahr würde vielmehr „sehenden Auges“ vergrößert.
Ihr erst mit einem möglichen Wiedereinstellungsanspruch zu begegnen,
würde der Sach- und Interessenlage nicht gerecht.
c) Der Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts wirkt sich im Ergebnis nicht
aus (§ 561 ZPO).
aa) Der Kläger hat dem Vorbringen der Beklagten zum Inhalt der Gespräche
mit dem Geschäftsführer der GmbH keinen anderen, im Einzelnen dargelegten
Gesprächsverlauf entgegengesetzt. Er hat sich auf ein einfaches Bestreiten
beschränkt und lediglich behauptet, die eine oder andere Äußerung sei so
nicht gefallen. Dabei ist er auch dann noch geblieben, als die Beklagte vorgetragen
hatte, sie habe mittlerweile Einsicht in die beschlagnahmten Unterlagen
nehmen können und diese ausgewertet, zudem habe sie den Geschäftsführer
der GmbH befragt, der seine frühere Aussage bekräftigt habe. Spätestens
angesichts dieses Vorbringens hätte der Kläger dem von der Beklagten behaupteten
Inhalt und Verlauf der Gespräche mit dem Geschäftsführer der
GmbH substantiiert entgegentreten müssen. Das hat er unterlassen. Damit hat
er seiner Erklärungspflicht nach § 138 Abs. 1, Abs. 2 ZPO nicht genügt. Das gilt
gleichermaßen für die bruchstückhafte Einlassung zum Komplex „Ferienwohnung“.
Sie fügt sich ohne Weiteres in die von der Beklagten behaupteten
Verdachtstatsachen ein und vermag diese gerade nicht zu entkräften. Der
Kläger hat eine vollständige Darstellung des tatsächlichen, aus seiner Sicht
wahrhaftigen Geschehensablaufs auch insoweit unterlassen. Auf eine Einschränkung
seiner prozessualen Wahrheitspflicht wegen des laufenden Strafverfahrens
hat er sich nicht berufen. Es kann deshalb offenbleiben, ob und ggf.
unter welchen Voraussetzungen ein solcher Einwand mit Blick auf die Besonderheiten
der Verdachtskündigung beachtlich gewesen wäre.
bb) Die Aufhebung des Haftbefehls entlastet den Kläger nicht. Aus ihr folgt
– unbeschadet der Frage, inwieweit dies dem Kläger zugute kommen könnte –
nicht, die Strafverfolgungsbehörden hätten einen dringenden Tatverdacht
zuletzt nicht mehr bejaht. Sie kann ebenso gut darauf zurückzuführen sein,
dass der Sachverhalt aus Sicht der zuständigen Stellen ausermittelt war und
etwa der Haftgrund der Verdunkelungsgefahr nicht mehr vorlag. Die Annahme,
dass nicht etwa der Wegfall eines dringenden Tatverdachts zur Aufhebung des
Haftbefehls geführt hat, liegt deshalb nahe, weil er zu diesem Zeitpunkt schon
über ein Jahr bestand. Zumindest hatte der Kläger aufgrund seiner Sachnähe
Anlass, sich zum Grund der Aufhebung zu erklären. Das hat er versäumt.
Ebenso wenig wird der Verdacht dadurch entkräftet, dass bei einer von der
Beklagten durchgeführten Innenrevision kein weiteres den Kläger belastendes
Material aufgefunden wurde.
III. Die Interessenabwägung des Landesarbeitsgerichts ist unter Beachtung
eines ihm zukommenden Beurteilungsspielraums (vgl. BAG 10. Juni 2010
– 2 AZR 541/09 – Rn. 33, BAGE 134, 349; 11. Dezember 2003 – 2 AZR 36/03 –
zu II 1 f der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 179 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 5)
revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Es hat alle vernünftigerweise in Betracht
zu ziehenden Umstände des Einzelfalls berücksichtigt und vertretbar
gegeneinander abgewogen. Danach konnte es ohne Rechtsfehler zu dem
Ergebnis gelangen, der Beklagten sei in Anbetracht der Schwere der Pflichtverletzung,
derer der Kläger verdächtig war, ein Festhalten am Arbeitsverhältnis
selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zumutbar gewesen.
IV. Die Kündigungserklärungsfrist (§ 626 Abs. 2 BGB) ist gewahrt. Nach
den nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts sind die den
Verdacht begründenden Tatsachen der Beklagten erstmals am 4. Februar 2009
bekannt geworden. Das Kündigungsschreiben ging dem Kläger am 13. Februar
2009 zu.
V. Das Landesarbeitsgericht hat nicht näher geprüft, ob die Kündigung an
einer fehlerhaften Beteiligung des Personalrats oder des Gesamtpersonalrats
scheitert. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger habe zuletzt eine
fehlerhafte Beteiligung nicht mehr behauptet. Dagegen wendet sich die Revision
nicht. Ein Rechtsfehler liegt auch objektiv nicht vor.
1. Allerdings entbindet der Umstand, dass ein Arbeitnehmer, der die
ordnungsgemäße Beteiligung des Personalrats bzw. Gesamtpersonalrats
gerügt hat, den Ausführungen des Arbeitgebers nicht weiter entgegen tritt, das
mit der Sache befasste Gerichte nicht von der Verpflichtung, den Arbeitgebervortrag
auf seine Schlüssigkeit hin zu überprüfen. Hinsichtlich des Vorbringens
zur ordnungsgemäßen Beteiligung des zuständigen Personalrats gilt – wie für
die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats nach § 102 Abs. 1 BetrVG –
eine abgestufte Darlegungslast (BAG 18. Januar 2001 – 2 AZR 616/99 – zu
II 3 a der Gründe, AP LPVG Niedersachsen § 28 Nr. 1 = EzA BGB § 626
Krankheit Nr. 4). Hat der Arbeitnehmer die ordnungsgemäße Beteiligung des
Personalrats bestritten, muss der Arbeitgeber im Detail darlegen, ob und ggf.
wie das Verfahren durchgeführt worden ist. Erst wenn er dem nachgekommen
ist und eine ordnungsgemäße Beteiligung des zuständigen Personalrats
schlüssig aufgezeigt hat, kommt es darauf an, ob der Arbeitnehmer diesem
Vorbringen iSv. § 138 Abs. 2 ZPO ausreichend entgegengetreten ist, insbesondere
deutlich gemacht hat, welche Angaben des Arbeitgebers er weiterhin (mit
Nichtwissen, § 138 Abs. 4 ZPO) bestreitet (BAG 23. Juni 2005 – 2 AZR 193/04 –
zu II 1 b der Gründe, AP ZPO § 138 Nr. 11 = EzA BetrVG 2001 § 102 Nr. 12;
18. Januar 2001 – 2 AZR 616/99 – aaO; 16. März 2000 – 2 AZR 75/99 – AP
BetrVG 1972 § 102 Nr. 114 = EzA BGB § 626 nF Nr. 179).
2. Einer Schlüssigkeitsprüfung im dargestellten Sinne bedarf es nur dann
nicht, wenn der Arbeitnehmer auf die Ausführungen des Arbeitgebers zur
Personalratsbeteiligung zweifelsfrei zu erkennen gibt, dass er an der betreffenden
Rüge als solcher nicht länger festhält. Mit seinem Vorbringen, es fehle an
einer ordnungsgemäßen Beteiligung der zuständigen Arbeitnehmervertretung,
beruft sich der Arbeitnehmer auf einen „anderen“ Unwirksamkeitsgrund iSd. § 4
Satz 1, § 6 KSchG (BAG 18. Januar 2012 – 6 AZR 407/10 – Rn. 12, EzA KSchG
§ 6 Nr. 4). Die Rüge, die Kündigung sei noch aus einem anderen Grund als
dem der Sozialwidrigkeit unwirksam, führt zwar nicht zu einem Wechsel des
Streitgegenstands, sondern nur zu einer Erweiterung des Sachvortrags im
Kündigungsschutzprozess. Die Regelung des § 6 KSchG ist aber Beleg dafür,
dass der Arbeitnehmer über die Einführung der Unwirksamkeitsgründe frei
entscheiden und den Prozessstoff insoweit von vorneherein begrenzen oder in
den zeitlichen Grenzen des § 6 Satz 1 KSchG erweitern kann. Die gerichtliche
Überprüfung der Wirksamkeit der Kündigung hat nur im Rahmen der iSv. § 4
Satz 1 iVm. § 6 Satz 1 KSchG rechtzeitig angebrachten Unwirksamkeitsgründe
zu erfolgen. Für die außerordentliche Kündigung gilt über § 13 Abs. 1 Satz 2
KSchG Entsprechendes. Unterliegt es deshalb in diesem rechtlichen Rahmen
der Disposition des Arbeitnehmers, den Umfang der gerichtlichen Überprüfung
einer Kündigung zu bestimmen, ist regelmäßig davon auszugehen, dass sich
der Prozessstoff entsprechend reduziert, falls der Arbeitnehmer im Verlauf des
Rechtsstreits zweifelsfrei zu erkennen gibt, sich auf bestimmte, rechtlich eigenständige
Unwirksamkeitsgründe nicht mehr berufen zu wollen. Eine solche die
Gerichte bindende Beschränkung des Sachvortrags ist grundsätzlich noch in
zweiter Instanz möglich. Die Regelung des § 6 Satz 1 KSchG dient der Konzentration
des Kündigungsschutzprozesses und in diesem Zusammenhang auch
dem Schutz des Arbeitgebers. Dieser soll sich nicht erstmals in zweiter Instanz
auf einen bis dahin in das gerichtliche Verfahren nicht eingeführten „anderen“
Unwirksamkeitsgrund einlassen und dementsprechend langfristig entsprechende
Beweise sichern müssen. Diesem Zweck widerspricht es nicht, dem Arbeitnehmer
die Befugnis einzuräumen, die Unwirksamkeitsrüge bezogen auf einen
bestimmten Unwirksamkeitsgrund selbst im fortgeschrittenen Verfahrensstadium
wieder fallen zu lassen.
3. So liegt es hier. Einer Überprüfung der Wirksamkeit der Kündigung mit
Blick auf die (Gesamt-)Personalratsbeteiligung bedurfte es nicht. Das Landesarbeitsgericht
hat im Tatbestand des Berufungsurteils festgestellt, der Kläger
erhebe die betreffende Rüge nicht mehr. Tatbestandsberichtigung hat der
Kläger nicht beantragt.
VI. Da die außerordentliche Kündigung das Arbeitsverhältnis mit ihrem
Zugang am 13. Februar 2009 beendet hat, bleibt die Klage gegen die ordentliche
Kündigung zum 30. Juni 2009 schon deshalb ohne Erfolg.
VII. Der Kläger hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen
Revision zu tragen.