Rechtsmäßigkeit eines erstinstanzlichen Beschlusses, Landesarbeitsgericht Köln, 4 Ta 31/20

G r ü n d e :2

I.              Die Parteien streiten in dem Beschwerdeverfahren über die Rechtsmäßigkeit eines erstinstanzlichen Beschlusses, mit dem die Aussetzung des vorliegenden Rechtsstreits wegen Vorgreiflichkeit nach § 148 ZPO abgelehnt wurde.3

Zwischen den Parteien wurde mit Wirkung ab dem 01.09.2007 ein Arbeitsverhältnis begründet, wonach der Kläger zuletzt als Leiter der Rechtsabteilung (Leiter Legal) beschäftigt wird. Die Beklagte hat ihren Sitz in M . Bei ihr sind regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer in Vollzeit beschäftigt. Es ist ferner ein Gesamtbetriebsrat gebildet. Das Jahreszieleinkommen des Klägers für das Jahr 2018 betrug 153.000,- Euro brutto (Bl. 11 d.A.). Es setzt sich zusammen aus einem Grundgehalt iHv. 10.000,- Euro pro Monat sowie einem Zielbetrag als variables Leistungsentgelt (VLE) iHv. 33.000,- Euro brutto pro Jahr. Des Weiteren erhält der Kläger einem Zuschuss iHv. 1.100,- für die Nichtinanspruchnahme eines Dienstwagens sowie einem Bruttozuschuss zur Krankenversicherung iHv. 100,- Euro pro Monat. Mit Schreiben vom 24.04.2018 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sein Jahreszieleinkommen „um mindestens 10.000,- Euro“ erhöht wird „bei einer Bewertung im Performancelevel 5 oder höher in der PEB-Runde 2018/19“ (Bl. 14 ff. d.A.). Daneben existiert bei der Beklagten eine Gesamtbetriebsvereinbarung zur Regelung des Personalentwicklungs- und Beurteilungssystems (PEB) (auch GBV PEB, siehe Bl. 17-23 d.A.). Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger leitender Angestellter iSv. § 5 Abs. 3 BetrVG ist.4

Die Beklagte kündigte mit Schreiben vom 07.05.2019 das Arbeitsverhältnis fristlos und hilfsweise ordentlich zum 30.09.2019, nachdem diese zuvor Compliance-Untersuchungen wegen behaupteter Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit der Vergütung der Betriebsratsmitglieder durchgeführt hatte. Der Kläger erhob hiergegen fristgemäß Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht Bonn (3 Ca 940/19). Das Arbeitsgericht Bonn hat mit Urteil vom 31.10.2019 der Kündigungsschutzklage stattgegeben. Die Beklage hat hiergegen Berufung eingelegt, die beim Landesarbeitsgericht Köln unter dem Aktenzeichen 4 Sa 694/19 anhängig ist. Der Termin zur mündlichen Verhandlung ist derzeit für den 22.05.2020 anberaumt.5

Mit der vorliegenden Klage in diesem Rechtsstreit hat der Kläger in der Hauptsache Differenzvergütungsansprüche für die Monate Januar bis April 2019 wegen einer von ihm angenommenen Gehaltserhöhung ab Januar 2019 sowie Annahmeverzugslohnansprüche für Mai 2019 bis September 2019 geltend gemacht. Der Kläger hatte die streitgegenständlichen Zahlungsansprüche gegenüber der Beklagten zuvor mit E-Mail vom 03.07.2019 geltend gemacht. Die Beklagte hat diese mit E-Mail vom 05.07.2019 zurückgewiesen. Die Klage vom 24.10.2019 wurde der Beklagten am 31.10.2019 zugestellt (Bl. 46 d.A.). Mit Klageerweiterung vom 11.12.2019 erweiterte der Kläger die Klage um Annahmeverzugslohnansprüche des Klägers bis November 2019, um einen zukunftsgerichteten Feststellungsantrag bzgl. der monatlichen Entgelthöhe, einen datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO sowie um einen Informationsanspruch bzgl. der personenbezogenen Leistungs- und Verhaltensdaten, die Gegenstand der Compliance-Untersuchungen im Jahre 2019 waren. Die Klageerweiterung wurde der Beklagten am 12.12.2019 zugestellt (Bl. 63 d.A.). Der Gütetermin beim Arbeitsgericht fand am 16.12.2019 statt.6

In diesem Gütetermin beantragte die Beklagte, da nach ihrer Auffassung jedenfalls Teile des Rechtsstreits von dem anhängigen Berufungsverfahren 4 Sa 694/19 in dem Kündigungsschutzrechtsstreit abhingen, das Ruhen des Verfahrens anzuordnen. Dem Ruhen des Verfahrens schloss sich der Kläger an und das Arbeitsgericht verkündete mit Beschluss vom 16.12.2019 das Ruhen des Verfahrens (Bl. 64 d.A.).7

Der Kläger hat anschließend mit Schriftsatz vom 19.12.2019 die Ansicht vertreten, dass eine Aussetzung des Verfahrens vor allem bei den Differenzvergütungsansprüchen für Januar bis April 2019 sowie bzgl. des Auskunftsanspruchs nach Art. 15 DSGVO nicht angezeigt sei, da das Berufungsverfahren insofern gar nicht vorgreiflich sei. Er hat insofern um Aufnahme des Verfahrens und Anberaumung eines Kammertermins gebeten.8

Mit Schriftsatz vom 09.01.2020 beantragte die Beklagte förmlich die Aussetzung des Rechtsstreits nach § 148 ZPO wegen der Vorgreiflichkeit des Berufungsverfahrens 4 Sa 694/19 in dem Kündigungsschutzrechtsstreit. Es bestünde die Gefahr widersprechender Entscheidungen und es sei prozesswirtschaftlich geboten, das Verfahren auszusetzen. Es würde zudem nach § 148 ZPO ausreichen, wenn die Vorgreiflichkeit nur zum Teil bestünde.9

Mit Beschluss vom 30.01.2020 hat das Arbeitsgericht Bonn den Antrag der Beklagten auf Aussetzung des Verfahrens abgelehnt. Es hat im Wesentlichen auf den arbeitsrechtlichen Beschleunigungsgrundsatz und die Existenzsicherung des Arbeitnehmers abgestellt, damit dieser nicht weiter Sozialleistungen in Anspruch nehmen müsse. Bzgl. des Aussetzungsbeschlusses und seiner Begründung wird auf Bl. 73-74 d.A. Bezug genommen. Dieser Beschluss wurde der Beklagten am 31.01.2020 zugestellt (Bl. 75 d.A.). Die Rechtsmittelbelehrung gibt als Rechtsmittel die sofortige Beschwerde an.10

Mit Schriftsatz vom 14.02.2020 hat die Beklagte beim Landesarbeitsgericht Beschwerde gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Bonn bzgl. der Ablehnung der Aussetzung eingelegt. Sie ist der Ansicht, dass der angefochtene Beschluss ermessensfehlerhaft sei. Das Kündigungsschutzverfahren sei für die Annahmeverzugslohnansprüche ab 07.05.2019 vorgreiflich. Die fristlose Kündigung hält sie für offensichtlich wirksam. Zudem würden die Parteien auch über den Status des Klägers als leitenden Angestellten streiten, wovon auch die Höhe der Vergütung des Klägers abhinge.11

Mit Beschluss vom 16.03.2020 hat das Arbeitsgericht Bonn der Beschwerde der Beklagten nicht abgeholfen und hat sie dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.12

Der Kläger verteidigt den angefochtenen Beschluss des Arbeitsgerichts und ist der Ansicht, der angefochtene Beschluss sei rechtmäßig.13

II.              Die gem. §§ 252, 567 Abs. 1 ZPO statthafte sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Bonn vom 30.01.2020 (3 Ca 2026/19) ist zulässig. Sie hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.14

1.               Die als sofortige Beschwerde anzusehende Beschwerde der Beklagten ist zulässig. Sie ist form– und fristgerecht im Sinne des § 569 Abs. 1, Abs. 2 ZPO eingelegt worden. Die 2-Wochen-Frist für die Einlegung des Rechtsmittels ist gewahrt. Auch ist es zulässig, dass die sofortige Beschwerde beim Beschwerdegericht (iudex ad quem) und nicht beim Ausgangsgericht (iudex a quo) eingelegt wurde (§ 569 Abs. 1 Satz 1 ZPO).15

2.               Die Beschwerde bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg, denn das Arbeitsgericht hat ohne ersichtlichen Verfahrens- oder Ermessensfehler von der Aussetzung des vorliegenden Rechtsstreits bis zur rechtskräftigen Entscheidung in dem Berufungsverfahren beim Landesarbeitsgericht Köln 4 Sa 694/19 gemäß § 148 ZPO abgesehen.16

a)              Nach § 148 ZPO kann das Gericht, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder teilweise von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits auszusetzen ist. Das Gesetz stellt die Aussetzung in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts. Eine Aussetzung muss nur dann erfolgen, wenn sich das Ermessen des Gerichts auf null reduziert hat. Gegenüber dem vorrangigen Zweck einer Aussetzung – einander widersprechende Entscheidungen zu verhindern – sind insbesondere die Nachteile einer langen Verfahrensdauer und die dabei entstehenden Folgen für die Parteien abzuwägen. Dabei ist der Beschleunigungsgrundsatz des § 9 Abs. 1 ArbGG ebenso zu berücksichtigen wie die Vorschriften zum Schutz vor überlanger Verfahrensdauer, §   Abs. 2 Satz 2 ArbGG, § 198 ff. GVG (vgl. BAG, Beschluss vom 16. April 2014 – 10 AZB 6/14, Rn. 5, juris; Landesarbeitsgericht Köln, Beschluss vom 14. Juni 2017 – 4 Ta 97/17, Rn. 12, juris).17

Die Vorgreiflichkeit eines Rechtsstreits ist kein Ermessenskriterium, sondern eine tatbestandliche Voraussetzung des § 148 ZPO, die erfüllt sein muss, damit das Ermessen des Gerichts überhaupt eröffnet ist (Landesarbeitsgericht Köln, Beschluss vom 8. Januar 2015 – 11 Ta 405/14, Rn. 4, juris). Das Vorliegen dieser Voraussetzung ist im Beschwerdeverfahren voll überprüfbar (Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 5. August 2011 – 8 Ta 149/11, Rn. 3, juris).18

b)               Im Streitfall liegen die gesetzlichen Voraussetzungen einer Aussetzung gemäß § 148 ZPO nicht vor, so dass der vorliegende Rechtsstreit nicht bis zum rechtskräftigen Abschluss des beim Berufungsgericht anhängigen Kündigungsschutzverfahren (Landesarbeitsgericht Köln – 4 Sa 694/19) auszusetzen ist.19

aa)              Soweit es die vom Kläger geltend gemachten Differenzvergütungsansprüche für Januar bis April 2019, den Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO sowie den Informationsanspruch bzgl. der personenbezogenen Leistungs- und Verhaltensdaten, die Gegenstand der Compliance-Untersuchungen im Jahre 2019 waren, betrifft, scheidet eine Vorgreiflichkeit des Berufungsverfahrens 4 Sa 694/19 aus. Diese Ansprüche hängen nicht davon ab, ob zwischen den Parteien am 07.05.2019 (dh. im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung) ein Arbeitsverhältnis bestanden hat. Insbesondere bzgl. der Differenzvergütungsansprüche ist die Frage, ob auch während eines vor Kündigungsausspruch liegenden Zeitraums (hier: Januar bis April 2019) ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien bestanden hat, nicht Gegenstand des Kündigungsschutzverfahrens (vgl. auch Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 5. August 2011 – 8 Ta 149/11, Rn. 5, juris). Daher besteht zwischen dem vorliegenden Rechtsstreit und den Verfahren 4 Sa 694/19 nicht die für eine Aussetzung nach § 148 ZPO erforderliche rechtliche Präjudizialität.20

bb)              Soweit es die vom Kläger geltend gemachten Annahmeverzugslohnansprüche ab Mai bis November 2019 sowie den zukunftsgerichteten Feststellungsantrag betrifft, ist eine Vorgreiflichkeit iSv. § 148 ZPO grundsätzlich anzunehmen. Sollte die Kündigung der Beklagten vom 07.05.2019 rechtmäßig sein, wären diese Ansprüche unbegründet, während sie im umgekehrten Fall zumindest grundsätzlich in Betracht kommen, denn ein Arbeitgeber kommt mit dem Ausspruch einer unwirksamen Kündigung regelmäßig in Annahmeverzug gemäß §§ 615, 293 ff. BGB. Mit der Rechtskraft des der Kündigungsschutzklage stattgebenden erstinstanzlichen Urteils stünde also fest, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die angegriffene Kündigung nicht aufgelöst worden ist. Damit ist zugleich entschieden, dass zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis bestanden hat. Sich widersprechende rechtskräftige Urteile könnten also vermieden werden, wenn gemäß § 148 ZPO die Entscheidung in dem vorliegenden Rechtsstreit so lange aussetzt wird, bis über die Rechtswirksamkeit der Kündigung der Beklagten vom 07.05.2019 im Rechtsmittelzug rechtskräftig entschieden worden ist (vgl. Landesarbeitsgericht Köln, Beschluss vom 14. Juni 2017 – 4 Ta 97/17, Rn. 14, juris; Landesarbeitsgericht Köln, Beschluss vom 24. September 2013 – 11 Ta 146/13, Rn. 15, juris; BAG, Beschluss vom 26. Juni 2008 – 6 AZN 648/07, Rn. 15, juris).21

              Allerdings ist es vorliegend unter einem Gesichtspunkt zumindest zweifelhaft, ob die vorgreifliche Rechtsfrage, Bestand des Arbeitsverhältnisses über den 07.05.2019 hinaus, überhaupt einschlägig ist, so dass die tatbestandlichen Voraussetzungen von § 148 ZPO nicht vorlägen. Der Kläger hat bislang nicht vorgetragen, wovon er seit dem 07.05.2019 gelebt hat und ob er in der Zeit des Annahmeverzugs anderweitige Einkünfte gehabt hat bzw. ob er es böswillig unterlassen hat, derartige Ansprüche zu erwerben (§ 615 Satz 2 BGB; § 11 Nr. 1 und Nr. 2 KSchG). Es kann daher sein, dass die diesbezügliche Klage schon aus den Gründen des § 615 Satz 2 BGB keinen Erfolg hat, so dass es auf den Kündigungsschutzprozess nicht ankommt und dieser damit auch nicht vorgreiflich ist (vgl. LAG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 9. September 2009 – 13 Ta 1695/09, Rn. 5, juris). Sofern und soweit der Kläger Sozialleistungen bezogen haben sollte, hat er diese bislang – aufgrund der fehlenden Passivlegitimation der Beklagten nach dem gesetzlichen Forderungsübergang nach § 115 SGB X – in den Klageanträgen nicht in Abzug gebracht, so dass die Annahmeverzugslohnansprüche ebenfalls unbegründet wären (vgl. Hamacher, Antragslexikon, 3. Aufl. 2019, Stichwort „Vergütung“, Rz. 39). Auch dann wäre der Berufungsrechtsstreit nicht vorgreiflich.22

cc)              Vorgreiflich für die vorgenannten Ansprüche des Klägers ist – entgegen der Auffassung der Beklagten – ebenfalls nicht die zwischen den Parteien bzgl. der Anwendbarkeit der GBV PEB umstrittene Rechtsfrage, ob der Kläger leitender Angestellter iSv. § 5 Abs. 3 BetrVG. Hierauf kommt es im Kündigungsschutzprozess bzgl. der Prüfung des Kündigungsgrundes (wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB bzgl. Kündigungsgrund nach § 1 Abs. 2 KSchG) nicht an. Sofern diese Rechtsfrage bei der Frage der Ordnungsgemäßheit der Anhörung des Betriebsrats gemäß § 102 BetrVG relevant sein könnte, was die Beklagte in ihrer Beschwerdebegründung aber nicht aufgezeigt hat, wären die entsprechenden Ausführungen in einem rechtskräftigen Berufungsurteil nicht von der Rechtskraftwirkung erfasst und können daher für den vorliegende Rechtsstreit nicht vorgreiflich sein. Sofern der umstrittene Status des Klägers als leitender Angestellter wegen § 14 Abs. 2 KSchG Relevanz haben sollte, liegt ebenfalls keine Präjudizialität bzgl. der Vergütungsansprüche vor, denn die Begriffe des leitenden Angestellten in § 5 Abs. 3 BetrVG und in § 14 Abs. 2 KSchG sind verschieden (vgl. KR/Rost, 11. Aufl. 2016, § 14 KSchG, Rn. 33 ff. mwN.). Im etwaigen Falle des § 14 Abs. 2 KSchG kann gleichwohl die GBV PEB auf den Kläger Anwendung finden.23

dd)              Die Ermessensausübung durch das Arbeitsgericht bei § 148 ZPO, sofern und soweit eine Vorgreiflichkeit gegeben ist, ist im Streitfall nicht zu beanstanden. Die Beklagte hat mit ihrer Beschwerdebegründung keinen durchgreifenden Ermessensfehler des Arbeitsgerichts aufgezeigt.24

(1)              Bei der Entscheidung hat das Arbeitsgericht einen Ermessensspielraum, wobei sich das Ermessen in den gesetzlichen Grenzen zu halten hat und sich an dem gesetzgeberischen Zweck der Vorschrift auszurichten hat. Dabei eröffnet § 252 ZPO dem Beschwerdegericht nur die Nachprüfung auf Verfahrens- und Ermessensfehler. Das Beschwerdegericht hat lediglich zu prüfen, ob das Arbeitsgericht den Ermessensspielraum überschritten hat oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechender Weise Gebrauch gemacht hat. Bei der Ermessensausübung sind unter anderem die Gesichtspunkte der Prozesswirtschaftlichkeit, der Vermeidung widersprüchlicher Entscheidungen und der Beschleunigungsgrundsatz (vgl. dazu BAG, Urteil vom 27. April 2006 – 2 AZR 360/05, Rn. 20, juris) zu berücksichtigen, der in arbeitsrechtlichen Bestandsstreitigkeiten besonders in den Vordergrund tritt (Landesarbeitsgericht Köln, Beschluss vom 14. Juni 2017 – 4 Ta 97/17, Rn. 18, juris; Landesarbeitsgericht Köln, Beschluss vom 24. September 2013 – 11 Ta 146/13, Rn. 8, juris).25

(2)              Das Arbeitsgericht hat – ausweislich des angefochtenen Beschlusses vom 30.01.2020 und des Nichtabhilfebeschlusses vom 16.03.2020 – die bei § 148 ZPO maßgeblich zu berücksichtigenden Gesichtspunkte sämtlich in seine Ermessensabwägung eingestellt. Es hat einerseits die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen im Instanzenzug im Rahmen seiner Abwägung berücksichtigt. Selbst wenn zugunsten der Beklagten berücksichtigt würde, dass die Erfolgsaussichten der Berufung – anders als es das Arbeitsgericht getan hat – als offen bewertet werden, hat das Arbeitsgericht aber auch andererseits das Beschleunigungsinteresse des Klägers nach § 9 Abs. 2 Satz 2 ArbGG an einer beschleunigten Entscheidung über seine Klage in seine Erwägungen mit einbezogen.26

Führen Parteien einen Rechtsstreit über Entgeltansprüche, die von der Wirksamkeit einer Kündigung abhängen, über die bereits eine (nicht rechtskräftige) Entscheidung zugunsten des Arbeitnehmers vorliegt, kommt allerdings eine Aussetzung dieses Rechtsstreits regelmäßig nicht in Betracht. Dem steht der Umstand entgegen, dass der Arbeitnehmer typischerweise auf seine Vergütung angewiesen ist und sich nicht auf die Inanspruchnahme von Sozialleistungen verweisen lassen muss, wenn ein Vergütungsanspruch gegen den Arbeitgeber besteht. Der arbeitsrechtliche Beschleunigungsgrundsatz (§ 9 Abs. 1 ArbGG) verbietet in solchen Fällen regelmäßig, eine Aussetzung vorzunehmen. Für eine ermessensfehlerfreie Aussetzungsentscheidung müssen in einem solchen Fall besondere Gründe des Einzelfalls vorliegen, die das schützenswerte Interesse des Arbeitnehmers an einer auch vorläufigen Existenzsicherung ausnahmsweise überwiegen. Der Gesichtspunkt der Prozesswirtschaftlichkeit, nämlich den Rechtsstreit über die Vergütung ggf. deutlich zu vereinfachen, kann dabei keine Rolle spielen (BAG, Beschluss vom 16. April 2014 – 10 AZB 6/14, Rn. 11, juris; Landesarbeitsgericht Köln, Beschluss vom 8. Januar 2015 – 11 Ta 405/14, Rn. 4, juris).27

Besondere Umstände, die das schützenswerte Interesse des Arbeitnehmers an einer auch vorläufigen Existenzsicherung ausnahmsweise überwiegen, sind weder von der Beklagten dargetan noch hat das Arbeitsgericht zurecht derartige nicht erwogen. Hinzu kommt, dass unklar ist, wann mit einer rechtskräftigen Entscheidung im Kündigungsrechtsstreit zu rechnen ist. Zwar ist derzeit der Termin zur mündlichen Verhandlung beim Landesarbeitsgericht auf den 22.05.2020 bestimmt worden. Ob dieser Termin angesichts der derzeitigen Corona-Pandemie zu halten ist, kann derzeit noch nicht beurteilt werden. Hinzu kommt, dass selbst mit einem Berufungsurteil am 22.05.2020 der Kündigungsrechtsstreit noch nicht rechtskräftig entschieden ist. Eine Verzögerung um mehrere Monate oder gar Jahre ist dem Kläger nicht zuzumuten. Es ist schließlich anhand der Aktenlage kein Anhaltspunkt dafür ersichtlich, dass der Kläger ausnahmsweise nicht zur Bestreitung seines Lebensunterhalts auf die bei der Beklagten erzielte Vergütung angewiesen wäre.28

Insgesamt hat das Arbeitsgericht aufgrund einer Würdigung aller maßgeblichen Umstände des vorliegenden Falls in nicht zu beanstandender Art und Weise die Vermeidung der Gefahr widerstreitender Entscheidungen im Instanzenzug sowie Gesichtspunkte der Prozesswirtschaftlichkeit niedriger gewichtet als das Beschleunigungsinteresse des Klägers.29

(3)              Dem kann die Beklagte auch nicht die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 11. Oktober 2017 – 5 AZR 694/16) entgegenhalten, wonach bei Vorgreiflichkeit der außerordentlichen bzw. hilfsweise ausgesprochenen ordentlichen Kündigung das Gericht entweder – wegen der Gefahr sich widersprechender Entscheidungen über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses – den Rechtsstreit wegen Annahmeverzugs nach § 148 ZPO aussetzen oder als Vorfrage für die geltend gemachten Zahlungsansprüche – erneut – eine Entscheidung über die Wirksamkeit der Kündigungen treffen müssen (BAG, Urteil vom 11. Oktober 2017 – 5 AZR 694/16, Rn. 27, juris; Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 18. Oktober 2018 – 1 Sa 66718, Rn. 17, juris). Der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts lässt sich zum einen entgegen der Auffassung der Beklagten nicht entnehmen, dass ein Rechtsstreit über Annahmeverzugslohnansprüche zwingend nach § 148 ZPO auszusetzen ist. Zum anderen kann das Arbeitsgericht Bonn bei Fortgang des Rechtsstreits den genannten Erwägungen des BAG genau Rechnung tragen, indem es bei seiner Entscheidung über die Zahlungsansprüche die (Un-)Wirksamkeit der Kündigung der Beklagten vom 07.05.2019 – erneut – als Vorfrage entscheidet. Da es diese rechtliche Möglichkeit gibt, ist es gerade nicht ermessensfehlerhaft, den vorliegenden Rechtsstreit nicht auszusetzen.30

3.              Eine Kostenentscheidung entfällt. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sind Kosten des Rechtstreits insgesamt.31

4.              Gegen diese Entscheidung ist ein weiteres Rechtsmittel mangels Zulassung der Rechtsbeschwerde, für die kein Anlass besteht, nicht gegeben (§§ 78 Satz 2 ArbGG, 72 Abs. 2 ArbGG, 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO). Die Entscheidung ist daher unanfechtbar.