Fristlose Kündigung während der Probezeit

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 18.02.2021 – 5 Sa 250/20

Tenor:
I. Auf die Berufung der Beklagten wird – unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels – das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein – Auswärtige Kammern Landau in der Pfalz – vom 7. Juli 2020, Az. 6 Ca 986/19, teilweise abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:

1. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 16. Dezember 2019 aufgelöst worden ist, sondern bis zum 27. Dezember 2019 fortbestanden hat.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 3.500,00 brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11. Dezember 2019 zu zahlen.

3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 3.150,00 brutto abzüglich des erhaltenen Krankengeldes iHv. € 651,20 nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11. Januar 2020 zu zahlen.

4. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

II. Von den Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger 10 % und die Beklagte 90 % zu tragen.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung und um Zahlungsansprüche.

Der 1958 geborene Kläger war seit dem 01.09.2019 bei der Beklagten, die Fenster, Türen und Rollläden vertreibt und montiert, zu einer Monatsvergütung von € 3.500,00 brutto beschäftigt. Zu seinen Arbeitsaufgaben gehörte die Montageleitung, die Aufmaßtechnik und die Arbeitsvorbereitung. Im schriftlichen Arbeitsvertrag haben die Parteien ua. geregelt:

“§ 5VergütungDer Arbeitnehmer erhält spätestens zum 10. des Folgemonats durch Überweisung … ein festes Monatsgehalt von 3.500,00 € brutto….§ 8ProbezeitKündigung, Ende des ArbeitsverhältnissesDie ersten 6 Monate gelten als Probezeit. Während dieser Probezeit kann das Anstellungsverhältnis mit einer Frist von 14 Tagen gekündigt werden. ……§ 12DatenschutzZum Zweck des Datenschutzes und der Datensicherheit ist es verboten,- betriebseigene Software und Datenträger, sowie dazugehörende Handbücher zu vervielfältigen,- die elektronische Datenverarbeitungsanlage für private Zwecke zu nutzen,- mitgebrachte Software in die elektronische Datenverarbeitung einzuspielen oder anhand dieser zu nutzen.”

Mit Schreiben vom 13.12.2019, dem Kläger am selben Tag zugegangen, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 27.12.2019. Mit Schreiben vom 16.12.2019, dem Kläger am selben Tag zugegangen, kündigte sie fristlos. Am 27.12.2019 erhob der Kläger gegen beide Kündigungen Klage. Den schriftsätzlich angekündigten Klageantrag gegen die ordentliche Kündigung stellte er im Kammertermin vor dem Arbeitsgericht vom 07.07.2020 nicht.

Die Beklagte zahlte dem Kläger weder die Vergütung für November 2019 noch für Dezember 2019. Der Kläger war seit dem 16.12.2019 arbeitsunfähig krank. Die gesetzliche Krankenkasse zahlte ihm laut Überleitungsanzeige vom 25.02.2020 seit dem 17.12.2019 ein Krankengeld iHv. € 65,12 kalendertäglich. Mit Klageerweiterung vom 12.05.2020 forderte der Kläger für November 2019 die Zahlung von € 3.500,00 brutto und für Dezember 2019 (bis 27.12.) von € 3.150,00 brutto. Das Krankengeld zog er nicht ab.

Der Kläger hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,

1.festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die fristlose Kündigung vom 16.12.2019, sondern durch ordentliche Kündigung vom 13.12.2019 zum 27.12.2019 sein Ende gefunden hat,2.den Beklagten zu verurteilen, an ihn € 6.650,00 brutto nebst Zinsen aus € 3.500,00 seit 01.12.2019 und aus € 3.150,00 seit 02.01.2020 iHv. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, sie habe den Kläger ab dem 02.12.2019 damit betraut, an einem Einfamilienhaus (Auftraggeber Eheleute X.) die alten Fenster auszubauen. Bereits am 03.12.2019 habe die Ehefrau ihres Inhabers auf der Baustelle festgestellt, dass der Kläger beim Ausbau eines Fensters die Außenlaibung sowie die Fassade beschädigt habe. Am 04.12.2019 habe ihr Inhaber dem Kläger deshalb mündlich eine Abmahnung erteilt. Der Kläger habe diese ignoriert und an dem Wohngebäude insgesamt dreizehn Fenster unsachgemäß ausgebaut. Er habe dadurch einen Schaden von über € 20.000,00 verursacht, weil das Gebäude neu verputzt werden müsse (Beweis: schriftliches Sachverständigengutachten im Auftrag der Betriebshaftpflichtversicherung vom 23.01.2020). Der Kläger habe bereits zu Beginn des Arbeitsverhältnisses seinen eigenen Laptop in den Betrieb mitgebracht, obwohl er sich im Arbeitsvertrag (§ 12) verpflichtet habe, lediglich betriebseigene Software und Datenträger zu verwenden. Sie habe den Kläger bereits am 01.09.2019 und an den zwei darauffolgenden Werktagen abgemahnt. Ihr Inhaber habe den Kläger aufgefordert, den privaten Laptop nicht mit zur Arbeit zu bringen. Ende November 2019 sei sie von einer Mitarbeiterin (Frau Y.) darauf hingewiesen worden, dass auf dem Schreibtisch des Klägers zwei USB-Sticks und eine externe Festplatte lägen, die mutmaßlich im Privateigentum des Klägers stünden. Ihr Inhaber habe diese Datenträger an sich genommen. Bei einer Untersuchung des Inhalts am 13.12.2019 habe er Geschäftsgeheimnisse des konkurrierenden Unternehmens “Z.”, insbesondere Kundenlisten, Angebote, Einkaufspreise etc., gefunden. “Z.”sei der ehemalige Arbeitgeber des Klägers. Der Kläger habe sich rechtswidrig verhalten, weil er Geschäftsgeheimnisse seines vormaligen Arbeitgebers gesichert und offenkundig für seine Tätigkeit in ihrem Betrieb verwendet habe. Hiervon habe sie bis zur Sichtung der Datenträger keine Kenntnis gehabt. Sie müsse befürchten, rechtlich in Anspruch genommen zu werden, weil ihr das widerrechtliche Verhalten des Klägers zugerechnet werden könnte. Auch dadurch sei das Vertrauensverhältnis vollständig zerstört.

Das Arbeitsgericht hat der Klage gegen die außerordentliche Kündigung vom 16.12.2019 stattgegeben und festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis bis zum 27.12.2019 fortbestanden hat. Das Arbeitsgericht hat auch der Zahlungsklage stattgegeben und die Beklagte zur Zahlung von € 6.650,00 brutto nebst Zinsen verurteilt. Wegen der Einzelheiten der erstinstanzlichen Begründung wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils vom 07.07.2020 Bezug genommen.

Gegen das am 30.07.2020 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit einem am 27.08.2020 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese innerhalb der bis zum 14.10.2020 verlängerten Begründungfrist mit einem am 13.10.2020 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Sie ist der Ansicht, für die außerordentliche Kündigung bestehe wegen Schlechtleistung ein wichtiger Grund iSv. § 626 BGB. Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts habe sie den Kläger ordnungsgemäß abgemahnt. Sie habe ihm am 04.12.2019 mündlich eine Abmahnung erteilt und zugleich auf seine Pflicht hingewiesen, die Arbeiten sorgfältig und in einer Art und Weise durchzuführen, dass am Eigentum ihrer Auftraggeber keine Schäden entstehen. Der Kläger habe erstinstanzlich schlicht bestritten, dass eine Abmahnung erfolgt sei. Das Arbeitsgericht habe ihr erhebliches Beweisangebot auf Vernehmung der Ehefrau ihres Inhabers als Zeugin übergangen.

Ein wichtiger Kündigungsgrund iSv. § 626 Abs. 1 BGB liege außerdem darin, dass sie externe Datenträger am Arbeitsplatz des Klägers gefunden habe. Dem Kläger sei in § 12 des Arbeitsvertrags untersagt worden, private externe Speichermedien an ihre betriebliche EDV-Anlage anzuschließen. Auf dieses Verbot habe sie den Kläger auch zu Beginn des Arbeitsverhältnisses hingewiesen. Es sei erstinstanzlich unstreitig geblieben, dass sich auf den Datenträgern Geschäftsgeheimnisse des vormaligen Arbeitgebers des Klägers “Z.”befunden haben. Ferner sei unstreitig geblieben, dass der Kläger jedenfalls die Absicht gehabt habe, im Rahmen seiner Tätigkeit in ihrem Betrieb die Geschäftsgeheimnisse von “Z.”zu nutzen. Sie habe den Inhalt der Datenträger in Augenschein genommen, nachdem der Kläger diese rechtswidrig an seinem Arbeitsplatz über seinen Laptop an die EDV-Anlage ihres Betriebs angeschlossen habe. Die Untersuchung des Inhalts der Datenträger führe entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts nicht zu einem grundsätzlichen prozessualen Verwertungsverbot. Für die Annahme eines Beweisverwertungsverbots müsse eine Einzelfallentscheidung getroffen werden, die das Arbeitsgericht unterlassen habe. Vorliegend sei zu berücksichtigen, dass sie dem Kläger bereits bei Begründung des Arbeitsverhältnisses ausdrücklich untersagt habe, externe private Speichermedien am Arbeitsplatz zu verwenden. Da der Kläger pflichtwidrig gehandelt habe, habe sie ein berechtigtes Interesse daran gehabt, zu untersuchen, ob ein Fall der Betriebsspionage oder ein Verstoß gegen das Geheimschutzgesetz vorliege. Im Rahmen der Interessenabwägung und im Hinblick auf den Schutzzweck der angeblich verletzten Norm sei vorliegend ein Beweisverwertungsverbot nicht geboten. Der Kläger habe unstreitig gestellt, dass er im Rahmen seiner vormaligen Anstellung bei dem Unternehmen “Z.”rechtswidrig iSd. § 4 Geschäftsgeheimnisschutzgesetz (GeschGehG) Geschäftsgeheimnisse erlangt habe. Da er diese Daten mit an seinen Arbeitsplatz gebracht und an die EDV-Anlage ihres Betriebs angeschlossen habe, bestehe die Befürchtung, dass er diese Daten auch zur Förderung ihres Geschäfts genutzt habe. Beide Handlungsalternativen seien nach § 23 GeschGehG strafbewehrt. Wesentlich schwerer falle ins Gewicht, dass sie sich unter Umständen das Verhalten des Klägers zurechnen lassen müsse. Eine Verwertungshandlung hinsichtlich der Daten oder eine Abspeicherung der Daten von “Z.”auf ihrer EDV-Anlage könne zur eigenen Strafbarkeit führen.

Das Arbeitsgericht habe in rechtlich unzulässiger Weise dem Kläger über den Antrag hinausgehende Zahlungsansprüche zugesprochen. Selbst wenn man von der Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung ausgehe, könnte dies – neben dem für November 2019 bestehende Gehaltsanspruch – allenfalls zu einem Gehaltsanspruch für Dezember 2019 führen. Dem Kläger stünden dann allerdings nicht die vollen Bruttobeträge, sondern nur die sich nach Lohnabrechnung ergebene Nettobeträge zu.

Die Beklagte beantragt zweitinstanzlich,

das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein – Auswärtige Kammern Landau in der Pfalz – vom 07.07.2020, Az. 6 Ca 986/19, abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den Inhalt der Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Die nach § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung der Beklagten ist gem. §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG iVm. §§ 519520 ZPO form– und fristgerecht eingelegt worden. Sie genügt den gesetzlichen Begründungsanforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 ZPO und erweist sich auch sonst als zulässig.

II.

In der Sache hat die Berufung der Beklagten teilweise Erfolg. Sie ist begründet, soweit der Kläger das Krankengeld iHv. € 651,20 nicht von der Bruttolohnforderung abgezogen hat. Im Übrigen ist die Berufung – bis auf einen Teil der Zinsforderung – unbegründet. Das Arbeitsgericht hat zutreffend festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 16.12.2019 mit sofortiger Wirkung aufgelöst worden ist, sondern bis zum 27.12.2019 fortbestanden hat. Es hat die Beklagte zutreffend verurteilt, an den Kläger das Bruttoarbeitsentgelt für die Monate November und Dezember 2019 (bis zum 27.12.) zu zahlen. Hiervon ist das Krankengeld abzuziehen, das der Kläger ab 17.12.2019 bezogen hat.

1. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die ordentliche Probezeitkündigung der Beklagten vom 13.12.2019 unter Einhaltung der vereinbarten zweiwöchigen Kündigungsfrist zum 27.12.2019 aufgelöst worden. Den gegen die ordentliche Kündigung in der Klageschrift vom 27.12.2019 angekündigten Antrag hat der Kläger ausweislich der Sitzungsniederschrift (§ 160 Abs. 3 Nr. 2 ZPO) im Kammertermin vor dem Arbeitsgericht am 07.07.2020 nicht gemäß §§ 137 Abs. 1, 297 ZPO gestellt. Darin liegt eine Beschränkung des Klageanspruchs und damit eine Teilklagerücknahme, der die Beklagte zumindest konkludent zugestimmt hat.

2. Für die fristlose Kündigung der Beklagten vom 16.12.2019 fehlt es an einem wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB. Dies hat das Arbeitsgericht zutreffend erkannt.

a) Nach § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Die Frage, ob dem Arbeitgeber eine Beschäftigung des Arbeitnehmers noch zumindest für den Lauf der ordentlichen Kündigungsfrist zumutbar war, gehört demnach zum wichtigen Grund. Für sein Vorliegen trägt der kündigende Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast (st. Rspr., zB BAG 27.06.2019 – 2 AZR 28/19 – Rn. 16).

Im Streitfall hatte der Kläger im Zeitpunkt des Zugangs der fristlosen Kündigung vom 16.12.2019 keinen Kündigungsschutz nach § 1 KSchG, weil das am 01.09.2019 begründete Arbeitsverhältnis noch keine sechs Monate bestanden hat. Die Parteien haben im schriftlichen Arbeitsvertrag (dort § 8 Abs. 1) eine rechtswirksame Probezeitvereinbarung (§ 622 Abs. 3 BGB) mit einer zweiwöchigen Kündigungsfrist getroffen. Da die Beklagte das Arbeitsverhältnis bereits am 13.12. fristgerecht zum 27.12.2019 gekündigt hatte, ist daher zu prüfen, ob ihr die Beschäftigung des Klägers bis zum 27.12.2019 zumutbar war.

b) Soweit die Beklagte dem Kläger vorwirft, dass er in der Zeit ab dem 02.12.2019 an dem Einfamilienhaus ihrer Auftraggeber X. insgesamt dreizehn Fenster unsachgemäß ausgebaut habe, so dass laut Sachverständigengutachten ein Schaden von über € 20.000,00 entstanden sei, rechtfertigt dies nicht die außerordentliche Kündigung.

Zweck der Probezeit ist es, in einer überschaubaren ersten Zeit der Beschäftigung die Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers zu erproben und bei negativer Beurteilung das Arbeitsverhältnis relativ kurzfristig beenden zu können. Von daher beträgt die Kündigungsfrist während der Probezeit in Abweichung von der Grundkündigungsfrist nur zwei Wochen ohne festen Kündigungstermin (§ 622 Abs. 3 BGB). Da die Probezeit den Sinn hat, festzustellen, ob der Arbeitnehmer sich für die Arbeit eignet, sind an eine außerordentliche Kündigung während der Probezeit wegen nicht ausreichender Fähigkeiten und Leistungen strenge Anforderungen zu stellen. Mangelhafte Leistungen rechtfertigen in der Probezeit in der Regel keine außerordentliche Kündigung (vgl. KR/Fischermeier 12. Aufl. § 626 BGB Rn. 455 mwN; ErfK/Niemann 21. Aufl. § 626 BGB Rn. 23 mwN). Die Interessen des Arbeitgebers und des Betriebs werden durch den Ausspruch einer ordentlichen Kündigung mit kurzer Frist genügend gewahrt, und zwar auch dann, wenn der Arbeitnehmer fahrlässig großen Schaden verursacht, denn grundsätzlich liegt das Risiko der richtigen Auswahl des Arbeitnehmers beim Arbeitgeber (vgl. BAG 04.07.1991 – 2 AZR 79/91 – Rn. 30 mwN).

Im Streitfall kommt hinzu, dass die Beklagte das Arbeitsverhältnis am 13.12.2019 in Kenntnis des mangelhaften Ausbaus von dreizehn Fenstern am Wohnhaus ihrer Auftraggeber, die von einer “katastrophalen”Demontage sprachen, ordentlich zum 27.12.2019 gekündigt hat. Erstinstanzlich hat die Beklagte ausgeführt, dass sie das “endgültige Ausmaß”der Schäden erkannt habe, als ihr die Auftraggeber am 09.12.2019 Lichtbilder gezeigt hätten. Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, worin drei Tage nach Ausspruch der ordentlichen Kündigung vom 13.12.2019, die die Beklagte in Kenntnis von Art und Umfang der Schlechtleistung erklärt hat, am 16.12.2019 der “wichtige Grund”iSd. § 626 Abs. 1 BGB für die fristlose Kündigung bestehen soll. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Arbeitgeber, nicht zunächst eine ordentliche Kündigung aussprechen und drei Tage später eine fristlose Kündigung erklären kann, obwohl sich der Kündigungssachverhalt nicht geändert hat. Ein Gestaltungsrecht ist nach seiner Ausübung verbraucht (vgl. BAG 26.11.2009 – 2 AZR 272/08 – Rn. 19).

c) Der Umstand, dass die Beklagte im Betrieb zwei private USB-Sticks und eine private externe Festplatte des Klägers vorgefunden hat, auf denen Kundenlisten, Angebote und Einkaufspreise des früheren Arbeitgebers des Klägers “Z.”gespeichert waren, rechtfertigt ebenfalls keine außerordentliche Kündigung nach § 626 BGB.

Die Beklagte trägt zum Zeitablauf vor, dass sie die externen Datenträger Ende November 2019 im Betrieb auf dem Schreibtisch des Klägers entdeckt und an sich genommen, die Inhalte am 13.12.2019 durchsucht und deshalb am 16.12.2019 fristlos gekündigt habe. Auch zu diesem Kündigungsvorwurf stellt sich die Frage, weshalb die Beklagte trotz des Auffindens und der Durchsuchung der Inhalte der externen Datenträger am 13.12. zunächst ordentlich zum 27.12.2019 und drei Tage später fristlos gekündigt hat. Wie bereits oben ausgeführt, ist ein Gestaltungsrecht nach seiner Ausübung verbraucht. Es sind keine Gründe vorgetragen noch sonst ersichtlich, worin drei Tage nach Ausspruch der ordentlichen Kündigung vom 13.12.2019, die die Beklagte in Kenntnis des Umstands, dass der Kläger private Datenträger mit gespeicherten Daten seines früheren Arbeitgebers und ihres Mitbewerbers “Z.”in ihren Betrieb mitgebracht hat, am 16.12.2019 der “wichtige Grund”iSd. § 626 Abs. 1 BGB für die fristlose Kündigung bestehen soll.

Hinzu kommt, dass die Beklagte die Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB in Bezug auf diesen Vorwurf nicht gewahrt hat. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Für den Fristbeginn kommt es auf die sichere und möglichst vollständige positive Kenntnis der für die Kündigung maßgebenden Tatsachen an; selbst grob fahrlässige Unkenntnis genügt nicht (vgl. BAG 27.02.2020 – 2 AZR 570/19 – Rn. 31 mwN). Zur Aufklärung des Sachverhalts kann der Kündigungsberechtigte die ihm nach pflichtgemäßem Ermessen notwendig erscheinenden Maßnahmen durchführen. Durch derartige Maßnahmen kann die Frist des § 626 Abs. 2 BGB aber nicht länger als unbedingt nötig herausgeschoben werden. Stellt der Arbeitgeber Ermittlungen an, ist fallbezogen zu beurteilen, ob sie hinreichend zügig betrieben wurden (vgl. BAG 11.06.2020 – 2 AZR 442/19 – Rn. 40 mwN).

Die Beklagte hat es an der gebotenen Eile bei der Ermittlung und Vervollständigung des aus ihrer Sicht relevanten Kündigungssachverhalts fehlen lassen. Sie hat nach ihrem Vortrag die externen Datenträger aus dem Privateigentum des Klägers bereits Ende November 2019 in ihrem Betrieb gefunden und an sich genommen. Obwohl die Beklagte ihre Ermittlungen rasch hätte aufnehmen und durchführen müssen, untersuchte sie den Inhalt der Datenträger erst am 13.12.2019 und kündigte am 16.12.2019. Es ist weder dargetan noch ersichtlich, weshalb die Beklagte zwischen dem Fund und der Prüfung der Dateninhalte dreizehn Tage untätig geblieben ist. Jedenfalls kann nicht angenommen werden, dass es ihr bei einem Hinauszögern der fristlosen Kündigung bis zum 16.12.2019 unzumutbar war, das Arbeitsverhältnis noch bis zum 27.12.2019 fortzusetzen.

Es kann daher offenbleiben, ob der Sachvortrag der Beklagten zu den aufgefundenen Dateninhalten einem prozessualen Verbot der Verwertung unterliegt, weil sie die privaten Datenträger des Klägers nicht an sich nehmen und durchsuchen durfte. Bei datenschutzrechtswidrig erlangten Informationen besteht in besonderen Fällen ein Sachvortragsverwertungsverbot (vgl. BAG 31.01.2019 – 2 AZR 426/18 – Rn. 49 ff mwN). Dann dürfte der unbestrittene Vortrag der Beklagten, dass der Kläger auf den externen Datenträgern, die er an ihre betriebliche EDV-Anlage angeschlossen haben soll, Geschäftsgeheimnisse (Kundenlisten, Angebote, Einkaufspreise) seines früheren Arbeitgebers und Mitbewerbers “Z.”gespeichert hat, nicht verwertet werden. Selbst wenn im Rahmen einer Abwägungsentscheidung eine gerichtliche Verwertbarkeit bestehen sollte, wäre die fristlose Kündigung im Streitfall unwirksam.

3. Die Zahlungsklage ist zum Teil begründet.

a) Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Arbeitsentgelt für November 2019 aus dem Arbeitsvertrag iVm. § 611a Abs. 2 BGB iHv. € 3.500,00 brutto.

Entgegen der Ansicht der Berufung schuldet der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer den gesamten Bruttobetrag. Die arbeitsrechtliche Vergütungspflicht beinhaltet nicht nur die Nettoauszahlung, sondern umfasst auch die Leistungen, die nicht in einer unmittelbaren Auszahlung an den Arbeitnehmer bestehen (vgl. BAG 18.09.2012 – 9 AZR 1/11 – Rn. 44 mwN). Der Zusatz “brutto”in einem den Arbeitgeber zur Zahlung von Arbeitsentgelt verpflichtenden Urteilstenor verdeutlicht, was von Gesetzes wegen gilt (vgl. BAG 21.12.2016 – 5 AZR 273/16 – Rn. 17 ff mwN).

Da die Beklagte – auch nicht konkludent – die Aufrechnung mit Schadensersatzansprüchen erklärt hat (§§ 387388 BGB), ist nicht zu prüfen, ob ihr eine Schadensersatzforderung gegen den Kläger zustehen könnte, wenn die Betriebshaftpflichtversicherung die Schäden am Wohngebäude ihrer Auftraggeber nicht oder nicht in voller Höhe regulieren sollte. Im Übrigen wäre eine Aufrechnung mit Nettozahlungsansprüchen gegen eine Bruttoentgeltforderung nicht statthaft (vgl. BAG 20.06.2018 – 5 AZR 262/17 – Rn. 44 mwN). Außerdem verstieße die Aufrechnung gegen das Aufrechnungsverbot des § 394 Satz 1 BGB, weil die Beklagte die Pfändungsbeschränkungen des § 805c ZPO nicht berücksichtigt hätte. Eine vollständige Aufrechnung “auf null”ist verboten.

b) Für den Monat Dezember 2019 kann der Kläger für die Zeit bis zum 15.12.2019 aus dem Arbeitsvertrag iVm. § 611a Abs. 2 BGB Arbeitsentgelt und für die Zeit vom 16. bis 27.12.2019 gemäß § 3 EFZG Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall in einer Gesamthöhe von € 3.150,00 brutto beanspruchen.

Der Kläger bezog ausweislich der Überleitungsanzeige der Siemens-Betriebskrankenkasse (SBK) vom 25.02.2020 seit dem 17.12.2019 Krankengeld iHv. kalendertäglich € 65,12 brutto. Der Anspruch des Klägers auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall ist gemäß § 115 SGB X kraft Gesetzes auf die Krankenkasse übergegangen. Aufgrund dieses Forderungsübergangs steht dem Kläger der geltend gemachte Anspruch iHv. € 651,20 nicht zu. Er hätte daher das Krankengeld von seinem Klageantrag auf Bruttozahlung beziffert in Abzug bringen müssen.

c) Die Zinsenforderung ist nur zum Teil berechtigt. Nach dem Arbeitsvertrag war die Vergütung spätestens zum 10. des Folgemonats fällig. Der Schuldnerverzug trat demnach erst am 11. des Folgemonats ein. Die Zinsentscheidung folgt aus § 288 Abs. 1, § 286 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB. Verzugszinsen sind auf die geschuldete Bruttovergütung zu leisten. Dem Kläger stehen für Dezember 2019 allerdings Zinsen nur auf den um das Krankengeld verminderten Betrag zu, da von der zu verzinsenden Forderung Sozialleistungen, die einen Anspruchsübergang bewirken, abzusetzen sind (vgl. BAG 21.08.2019 – 7 AZR 563/17 – Rn. 64 mwN).

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1, § 92 Abs. 1 ZPO. Sie entspricht dem wechselseitigen Obsiegen und Unterliegen der Parteien.

Die Zulassung der Revision war nicht veranlasst, weil hierfür die gesetzlichen Voraussetzungen (§ 72 Abs. 2 ArbGG) nicht vorliegen.

Vonderau
Schreiber
Silz