Prozessarbeitsverhältnis – Beschäftigung aufgrund Titel – zumutbare Arbeit – böswilliges Unterlassen; LArbG Baden-Württemberg Urteil vom 26.1.2021, 19 Sa 51/20

LArbG Baden-Württemberg Urteil vom 26.1.2021, 19 Sa 51/20

Prozessarbeitsverhältnis – Beschäftigung aufgrund Titel – zumutbare Arbeit – böswilliges Unterlassen

Leitsätze

1. Obsiegt ein Arbeitnehmer vor dem Arbeitsgericht mit einer Kündigungsschutzklage und trägt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer für die Dauer des noch laufenden Gerichtsverfahrens ein “Angebot zur Begründung eines Prozessarbeitsverhältnisses” an, so ist durch Auslegung zu ermitteln, ob eine Arbeitsaufforderung zur Abwendung der Zwangsvollstreckung aus dem von dem Arbeitnehmer erwirkten Beschäftigungstitel vorliegt oder, ob eine Beschäftigung auf eigenständiger vertraglicher Grundlage erfolgen soll, etwa um das Annahmeverzugslohnrisiko zu vermeiden.

2. Liegt der zweitgenannte Fall vor und weigert sich der Arbeitnehmer, der die Zwangsvollstreckung eingeleitet hat, um seinen titulierten Beschäftigungsanspruch zu realisieren, eine schriftliche Vereinbarung über ein Prozessarbeitsverhältnis mit seinem Arbeitgeber zu schließen, kann dem Arbeitnehmer kein böswilliges Unterlassen, eine ihm zumutbare Arbeit anzunehmen, angelastet werden, wenn er darauf besteht, ausschließlich aufgrund des Titels tätig zu werden, und sich der Arbeitgeber weigert, den Arbeitnehmer ohne den Abschluss einer Vereinbarung zu beschäftigen.

Der erzielbare Verdienst ist auf den Anspruch des Arbeitnehmers auf Annahmeverzugslohn nicht anzurechnen.

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Heilbronn – Kammern Crailsheim – 7 Ca 447/19 – teilweise abgeändert:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger zu bezahlen:

a. für Oktober 2019 6.666,67 Euro brutto abzüglich auf die Bundesagentur für Arbeit zum Aktenzeichen 0000 übergegangener 2.742,90 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus dem Differenzbetrag seit dem 1. November 2019,

b. für November 2019 6.666,67 Euro brutto abzüglich an die Bundesagentur für Arbeit zum Aktenzeichen 0000 übergegangener 2.742,90 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus dem Differenzbetrag seit dem 1. Dezember 2019,

c. für Dezember 2019 6.666,67 Euro brutto abzüglich an die Bundesagentur für Arbeit zum Aktenzeichen 0000 übergegangener 2.742,90 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus dem Differenzbetrag seit dem 1. Januar 2020.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die Beklage hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

III. Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.

Tatbestand

1Zwischen den Parteien sind Ansprüche auf Annahmeverzugsvergütung für die Zeit von Oktober 2019 bis Dezember 2019 im Streit.
2Der Kläger trat aufgrund des Arbeitsvertrages vom 16. Dezember 2016 zum 1. April 2017 als Qualitätsmanager in die Dienste der Beklagten, die Abfüll-, Verschließ- und Prozesstechnik für medizinisch-pharmazeutische Produkte entwickelt und realisiert und der O. Unternehmensgruppe angehört, die im Bereich Abfüll- und Verpackungsanlagen für Nahrungsmittel, Chemie, Papierhygiene und Pharmazie tätig ist.
3Der Arbeitsvertrag lautet auszugsweise (Bl. 7ff. der Akte des ArbG):
4II. Bezüge
5Als Vergütung für seine/ihre Tätigkeit erhält der/die Mitarbeiter/in ein Jahresgehalt in den ersten beiden Jahren der Zugehörigkeit von brutto 75.000,00 EUR, zahlbar in 12 gleichen Monatsbeträgen.
6Nach zwei Jahren Zugehörigkeit (zum 01.04.2019) steigt das Jahresgehalt auf brutto 80.000,00 EUR, zahlbar in 12 gleichen Monatsbeträgen.
7Über die Höhe der Bezüge ist Stillschweigen zu bewahren.
8Die Zahlung erfolgt jeweils am Ende eines Kalendermonats bargeldlos unter Einbehaltung der gesetzlichen Abzüge.
9Diese Vergütung erhöht sich betragsmäßig entsprechend der tariflichen Erhöhung des Gehalts eines technischen Angestellten der Tarifgruppe T 6 / 4 der Metallindustrie Nord-Württemberg/Nord-Baden, sofern durch betriebliche Regelung oder Haustarifvertrag nichts anders geregelt wird.
10Eine Tarifbindung wird daraus jedoch nicht abgeleitet.
11Nach den jeweils aktuellen Tarifverträgen über Entgelte und Ausbildungsvergütungen wurde das Entgelt nach der Tarifgruppe T 6/4 zum 1. April 2017 um 2,4% bzw. um 129,05 Euro erhöht sowie zum 1. April 2018 um weitere 4,3% bzw. 270,58 Euro.
12Die Beklagte erhöhte das Arbeitsentgelt des Klägers zum 1. Juli 2017 von 6.250,00 Euro brutto auf 6.379,05 Euro brutto sowie zum 1. Juli 2018 auf 6.649,63 Euro brutto. Seit dem 1. April 2019 leistete die Beklagte an den Kläger ein monatliches Arbeitsentgelt in Höhe 6.666,67 Euro brutto.
13Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis der Parteien aus betriebsbedingten Gründen am 15. Februar 2019 zum 30. September 2019. Mit Urteil vom 29. August 2019 stellte das Arbeitsgericht Heilbronn – Kammern Crailsheim – (- 7 Ca 92/19 -) die Unwirksamkeit der Kündigung fest und verurteilte die Beklagte antragsgemäß, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten Bedingungen als Qualitätsmanager weiter zu beschäftigen. Die dagegen gerichtete Berufung nahm die Beklagte mit Schriftsatz vom 27. Dezember 2019 zurück (Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg – 4 Sa 91/19 -).
14Mit E-Mail-Schreiben vom 26. September 2019 um 15:10 Uhr (Bl. 67) übersandte die Beklagte an den Klägervertreter ein Angebot zur Begründung eines Prozessarbeitsverhältnisses und bat um Prüfung desselben und im Falle des Einverständnisses um Rückgabe eines unterzeichneten Exemplars bis zum 30. September 2019.
15Die vorgeschlagene Vereinbarung über ein befristetes Prozessarbeitsverhältnis lautet auszugsweise (Bl. 128, 129 der Akte des ArbG):
16(…)wird folgende Vereinbarung getroffen:
17Der Mitarbeiter wurde am 15.02.2019 unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist mit Wirkung zum 30.09.2019 aus betriebsbedingten Gründen vom Arbeitgeber gekündigt.
18Der Arbeitgeber hält weiterhin an seiner Kündigung fest und wird gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Heilbronn Kammern Crailsheim im Verfahren 7 Ca 93/19 vom 29.08.2019 Berufung zum Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg einlegen. Um das bestehende Lohnfortzahlungsrisiko zu vermindern, bietet der Arbeitgeber dem Mitarbeiter ab dem 01.10.2019 ein befristetes Prozessarbeitsverhältnis an. Der Mitarbeiter befindet sich nach wie vor in einem zum 30.09.2019 gekündigtem Arbeitsverhältnis.
19Zwischen den Parteien werden folgende Bedingungen vereinbart:
201. Beginn / Befristung
21Das Prozessarbeitsverhältnis beginnt mit dem ersten Tag nach dem Kündigungsdatum, in diesem Fall also ab dem 01.10.2019. Das Arbeitsverhältnis ist für die Dauer des noch laufenden Gerichtsverfahrens, daher bis zu dessen Abschluss befristet.
22Um das Annahmeverzugslohnrisiko gem. § 615 BGB zu vermeiden, bietet der Arbeitgeber dem Mitarbeiter ein befristetes Prozessarbeitsverhältnis an, das spätestens durch eine rechtskräftige Entscheidung auflösend bedingt ist und das der Mitarbeiter vorliegend annimmt. Das Prozessarbeitsverhältnis ist während der Laufzeit beiderseits mit einer Frist von vier Wochen zum Monatsende kündbar. Gesetzlich längere Kündigungsfristen gelten beiderseits.
232. Tätigkeit(…)
243. Arbeitsplatz(…)
254. Vergütung(…)
265. Arbeitszeit(…)
276. Arbeitsverhinderung/Arbeitsunfähigkeit
28Eine Erkrankung oder sonstiger Ausfall ist dem Arbeitgeber unverzüglich mitzuteilen und eine Erkrankung per Attest ab dem 1. Tag zu belegen. lm Falle einer Erkrankung erhält der Mitarbeiter laut aktueller Rechtsprechung des BAG keine Entgeltfortzahlung.
297. Urlaubsanspruch
30Der Mitarbeiter erwirbt im Rahmen des Prozessarbeitsverhältnisses keinen Urlaubsanspruch. Er hat jedoch Anspruch auf eine unbezahlte Freistellung in Höhe von 2,5 Kalendertagen pro Beschäftigungsmonat.
31Durch diese Vereinbarung entsteht kein Anspruch auf ein unbefristetes Dauerarbeitsverhältnis.
32Mit E-Mailschreiben vom selben Tage um 16:47 Uhr ließ der Kläger die Beklagte auffordern, ihn entsprechend der arbeitsgerichtlichen Entscheidung als Qualitätsmanager weiter zu beschäftigen, ansonsten geprüft werde, ob die Zwangsvollstreckung einzuleiten sei. Aus diesem Grunde bestehe keine Notwendigkeit, eine gesonderte Vereinbarung über ein befristetes Prozessarbeitsverhältnis abzuschließen. Außerdem wurde der Mangel der angekündigten Aufgabenbeschreibung gerügt (Bl. 68). Letztgenannte lieferte die Beklagte am 30. September 2019 nach (S. 7 des Klägerschriftsatzes vom 5. Mai 2020 = Bl. 153 der Akte des ArbG). Sie entspricht nach den Angaben des Klägers im Kammertermin zu 80% seinen zuletzt ausgeübten Aufgaben in der sogenannten Anlagenqualifizierung.
33Am 30. September 2019 begab sich der Kläger erfolglos in den Betrieb, um mit Frau M. vom Personalwesen ein Gespräch zu führen (Bl. 69).
34Entsprechend der schriftlichen Aufforderung der Beklagten vom selben Tag erschien der Kläger am 1. Oktober 2019 bei der Beklagten, um die Arbeit aufzunehmen. Hierzu kam es nicht. Der Kläger weigerte sich, die von der Beklagten vorgelegte Vereinbarung über ein befristetes Prozessarbeitsverhältnis zu unterzeichnen. Die Beklagte lehnte die Aufnahme der Tätigkeit durch den Kläger ohne Unterzeichnung der Vereinbarung ab. Ob der Kläger darüber hinaus die angesonnene Tätigkeit ihrer Art nach ablehnte, ist zwischen den Parteien streitig.
35Die mit Zwangsgeldantrag vom 6. November 2019 eingeleitete Zwangsvollstreckung der titulierten Weiterbeschäftigungspflicht, erklärten die Parteien nach Rücknahme der Berufung durch die Beklagte für erledigt. Seit dem 1. Januar 2020 wurde der Kläger zunächst weiterbeschäftigt; die Beklagte hatte noch im Dezember 2019 das Arbeitsverhältnis erneut zum 30. Juni 2020 gekündigt. Gegen die klagabweisende Entscheidung des Arbeitsgerichts hat der Kläger Berufung eingelegt (Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg – 21 Sa 36/20 -).
36Mit der am 19. November 2019 eingereichten Klage hat der Kläger vorgetragen und die Ansicht vertreten, die Beklagte habe sich von Oktober 2019 bis Dezember 2019 in Annahmeverzug befunden. Sie schulde ein monatliches Arbeitsentgelt in Höhe von 6.953,34 Euro brutto abzüglich auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangener monatlicher 2.742,90 Euro netto. Dem Anspruch stehe ein böswilliges Unterlassen anderweitig Verdienst zu erzielen nicht entgegen. Er habe das Beschäftigungsangebot der Beklagten nicht annehmen müssen. Mit Unterzeichnung der Vereinbarung hätte der Kläger u.a. Urlaub, Lohnfortzahlung und Ansprüche auf Vergütung von Mehrarbeit verloren. Dabei handele es sich um unangemessene Vertragsklauseln. Das Angebot sei nicht zumutbar. Stattdessen hätte die Beklagte den Kläger bis zur Rechtskraft der Entscheidung (über die Kündigung vom 15. Februar 2019) aufgrund der entsprechenden Verurteilung weiterbeschäftigen müssen.
37Der Kläger wäre minderwertig eingesetzt worden. Nach Ziffer 2 des Arbeitsvertrages sei die zum 1. April 2018 erfolgte Tarifsteigerung von 4,3% auf das ab April 2019 geschuldete Arbeitsentgelt anzuwenden.
38Der Kläger hat beantragt:
39Die Beklagte wird verurteilt,
401. für Oktober 2019 insgesamt 6.953,34 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01. November 2019 abzüglich auf die Bundesagentur für Arbeit zum Aktenzeichen 0000 übergegangener 2.742,90 EUR netto
412. für November 2019 insgesamt 6.953,34 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.12.2019 abzüglich auf die Bundesagentur für Arbeit zum Aktenzeichen 0000 übergegangener 2742,90 EUR netto
423. für Dezember 2019 insgesamt 6.953,34 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.01.2020 abzüglich auf die Bundesagentur für Arbeit zum Aktenzeichen 0000 übergegangener 2742,90 EUR netto
43an den Kläger zu zahlen.
44Die Beklagte hat beantragt,
45die Klage anzuweisen.
46Die Beklagte hat vorgetragen und die Ansicht vertreten, den Annahmeverzugsansprüchen stehe entgegen, dass der Kläger die angebotene und zumutbare Prozessbeschäftigung zu den Konditionen des Ursprungsvertrages ausdrücklich abgelehnt habe. In der Zeit vom 1. Oktober bis zum 31. Dezember 2020 habe keine rechtskräftige Entscheidung vorgelegen, kraft derer die Beklagte verpflichtet gewesen sei, den Kläger in seiner ursprünglichen Tätigkeit weiter zu beschäftigen, sie habe gegen die erstinstanzliche Entscheidung Berufung eingelegt.
47Sie habe den Kläger in Erfüllung ihrer Pflicht zur Weiterbeschäftigung und zur Abwendung der Zwangsvollstreckung aus dem erstinstanzlichen Urteil beschäftigen wollen. Dies habe der Kläger abgelehnt, wofür Gründe nicht erkennbar seien. Dem Kläger sei erkennbar gewesen, dass sich die Beklagte ausschließlich dem Vollstreckungsdruck gebeugt habe. Der Entwurf zur Regelung der Modalitäten der vorläufigen Weiterbeschäftigung bilde die Rechtslage zur Erfüllung eines klagestattgebenden Urteils zur vorläufigen Weiterbeschäftigung während des Rechtsmittelverfahrens ab und nicht die Rechtslage eines echten befristeten Prozessarbeitsverhältnisses. Das ergebe sich aus dem Inhalt des Angebots. Entsprechend sei keine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und kein bezahlter Urlaub vorgesehen.
48Das Bruttomonatsgehalt des Klägers belaufe sich auf 6.666,67 Euro und nicht auf 6.953,34 Euro.
49In den ersten beiden Jahren der Beschäftigung sehe der Arbeitsvertrag keine zusätzliche tarifliche Gehaltssteigerung vor, sondern erst im Anschluss daran. Das folge aus Wortlaut und Systematik von Ziffer 2 des Arbeitsvertrages. Außerdem könne der Kläger keine prozentuale, sondern nur eine „betragsmäßige“ Gehaltserhöhung verlangen. Überobligatorisch habe die Beklage die Vergütung ab Juli 2017 und ab Juli 2018 um den Steigerungsbetrag nach der Tarifgruppe T6/4 des Entgelttarifvertrages angehoben.
50Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 14. Mai 2020 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, der Anspruch auf Zahlung von Annahmeverzugslohn sei ausgeschlossen, weil es der Kläger böswillig unterlassen habe, anderweitigen Verdienst zu erzielen. Zwar habe sich die Beklagte infolge ihrer unwirksamen Kündigung zum 30. September 2019 in Annahmeverzug befunden. Der Kläger habe aber das rechtlich als zumutbar zu qualifizierende Angebot der Beklagten abgelehnt, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsrechtsstreits zu beschäftigen. Die Beklagte sei nicht verpflichtet gewesen, dem Kläger eine Beschäftigung auf der Grundlage des Arbeitsvertrages und der arbeitsvertraglichen Bedingungen anzubieten. Der Anspruch auf eine bestimmte Beschäftigung im bestehenden Arbeitsverhältnis bedinge als solcher nicht die Unzumutbarkeit jedweder anderweitigen Tätigkeit im Rahmen einer Prozessbeschäftigung. Der Kläger müsse sich vorwerfen lassen, dass er während des Annahmeverzugs trotz Kenntnis aller objektiven Umstände vorsätzlich untätig geblieben sei bzw. die Aufnahme der Arbeit bei der Beklagten bewusst verhindert habe. Der Kläger habe der Beklagten mit der Zwangsvollstreckung der im Urteil des Arbeitsgerichts titulierten Weiterbeschäftigungspflicht gedroht. Die Beklagte habe dem Kläger daher – auch für diesen erkennbar – ihr Arbeitsangebot zum Zwecke der Abwendung der Zwangsvollstreckung unterbreitet. Bei der angebotenen Tätigkeit habe es sich um eine solche gehandelt, die der Qualifikation des Klägers entsprechen musste. Der Kläger hätte weiterhin im Wirkungsbereich seines bisherigen Tätigkeitsfelds gearbeitet. Bei den Aufgaben hätte es sich zumindest um einen Ausschnitt der Aufgaben eines Qualitätsmanagers gehandelt.
51Selbst wenn dem Kläger einzelne Verfügungsbestandteile, wie eine Mehrarbeitsvergütung, zu Unrecht vorenthalten blieben, würde dies nicht zur Unzumutbarkeit des Angebots führen. Der Kläger wäre dadurch nicht in finanzielle Probleme geraten und habe sich darauf auch nicht berufen. Möglicherweise wären schon überhaupt gar keine Überstunden angeordnet worden. Jedenfalls seien diese Vergütungsbestandteile im Verhältnis zu der gesamten Vergütung nur von untergeordneter Bedeutung. Ggf. hätte der Kläger den Rechtsweg zu beschreiten.
52Der Kläger verkenne, dass ihm im Rahmen der zur Abwendung der Zwangsvollstreckung angebotenen Prozessbeschäftigung überhaupt keine Ansprüche auf Gewährung von Urlaub oder Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall zugestanden hätte. Eine solches Prozessbeschäftigungsverhältnis sei nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen abzuwickeln. Ein Anspruch auf Entgelt ohne Arbeitsleistung bestehe nicht. Schließlich sei die Kündigung gerade nicht aus verhaltensbedingten Gründen ausgesprochen worden. Bei einer betriebs- oder personenbedingten Kündigung sei die vorläufige Weiterbeschäftigung dem Arbeitnehmer regelmäßig zumutbar. Gegenteiliges habe der Kläger nicht dargetan.
53Jedenfalls bestehe kein Anspruch auf Gewährung der Gehaltserhöhung. Das ergebe die Auslegung von Ziffer 2 des Arbeitsvertrages. Die Parteien hätten die Anknüpfung an tarifliche Lohnerhöhungen unter Ziffer 2 Satz 5 des Arbeitsvertrages frühestens nach Ablauf von zwei Jahren seit Beginn des Arbeitsverhältnisses vereinbaren wollen. Seit dem 1. April 2019 seien die Tariflöhne aber unstreitig nicht mehr erhöht worden.
54Auch wenn es sich bei der Regelung nach Ziffer 2 des Arbeitsvertrages um Allgemeine Geschäftsbedingungen handele, verbleibe nach Auslegung der Bestimmungen kein Zweifel i.S.v. § 305c Abs. 2 BGB.
55Mit der Berufung ficht der Kläger das arbeitsgerichtliche Urteil an und ergänzt sein Vorbringen erster Instanz. Er sei weder vorsätzlich untätig geblieben noch habe er die Aufnahme der Arbeit bei der Beklagten bewusst verhindert. Es sei die Beklagte gewesen, die die Annahme der angebotenen Arbeitsleistung abgelehnt habe. Jene sei aufgrund des Urteils im Streit um die Kündigung zur Weiterbeschäftigung verpflichtet gewesen und zwar auch ohne die Vereinbarung über ein befristetes Prozessarbeitsverhältnis. Darauf habe der Kläger schriftlich am 26. September 2019 und insbesondere am 1. Oktober 2019 hingewiesen, als er seine Arbeitskraft tatsächlich angeboten habe. Frau D. von der Beklagten habe ihm die Vereinbarung zur Unterschrift vorgelegt und darauf hingewiesen, dass das Urteil noch nicht rechtskräftig sei und Berufung eingelegt werde. Er müsse die Vereinbarung auf jeden Fall unterzeichnen, da er sonst gegen geltendes Arbeitsrecht verstoße und sich nicht länger auf dem Betriebsgelände aufhalten dürfe. Wenn er nicht unterschreibe, müsse er das Betriebsgelände verlassen und im Übrigen lehne der Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung generell ab.
56Der Kläger habe erklärt, dass es aufgrund des Urteils keiner schriftlichen Vereinbarung über ein befristetes Prozessarbeitsverhältnis bedürfe. Er habe an seinen Arbeitsplatz zurückkehren wollen und mehrmals darum gebeten, dass er das dürfe. Er habe auf die Ausführungen seines Bevollmächtigten vom 26. Dezember 2019 und sein schriftliches Angebot der Arbeitskraft vom Vortag verwiesen. Frau D. habe den Kläger dann aus dem Werk begleitet.
57Irrig sei die Beklagte wohl davon ausgegangen, dass es zur Weiterbeschäftigung des Klägers einer Vereinbarung bedürfe. Leite der Arbeitnehmer die Zwangsvollstreckung ein und werde zu deren Abwendung vom Arbeitgeber beschäftigt, entstehe ein gesetzliches Schuldverhältnis. Der Abschluss einer Vereinbarung sei nicht erforderlich. Das Arbeitsgericht habe verkannt, dass der Kläger seine Arbeitsleistung mehrfach angeboten und keine Veranlassung gehabt habe, die Vereinbarung zu unterzeichnen.
58Der Anspruch auf Annahmeverzugsvergütung bestehe auch in der geforderten Höhe. Das Arbeitsgericht habe den Arbeitsvertrag der Parteien falsch ausgelegt. Die Beklagte selbst habe die Tariflohnerhöhungen bereits in den ersten beiden Jahren aufgrund der vertraglichen Vereinbarung weitergegeben. Bei den Regelungen der Ziffer 2 des Arbeitsvertrages handele es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen. Es lägen keine eindeutigen Regelungen vor, dass tarifliche Erhöhungen erst nach Ablauf von zwei Jahren zum Tragen kommen sollten. Der Kläger habe im Bewerbungsgespräch als Gehaltsvorstellung 80.000,00 Euro brutto jährlich angegeben. Die Parteien hätten ein zunächst niedrigeres Jahresgehalt vereinbart, das sich von Anfang an entsprechend den tariflichen Erhöhungen erhöhen sollte. Jedenfalls greife die Unklarheitenregel zugunsten des Klägers. Das gelte auch für die Frage, ob ihm eine prozentuale oder eine nur betragsmäßige und an der Tarifgruppe T6/4 orientierte Erhöhung zustehe.
59Der Kläger beantragt:
601. Das Urteil des Arbeitsgerichts Heilbronn — Kammern Crailsheim -, Az. 7 Ca 447/19 wird abgeändert.
612. Die Beklagte wird verurteilt,
62a.) für Oktober 2019 insgesamt 6.953,34 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.11.2019 abzüglich auf die Bundesagentur für Arbeit zum Aktenzeichen 0000 übergegangener 2.742,90 EUR netto,
63b.) für November 2019 insgesamt 6.953,34 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.12.2019 abzüglich auf die Bundesagentur für Arbeit zum Aktenzeichen 0000 übergegangener 2.742,90 EUR netto,
64c.) für Dezember 2019 insgesamt 6.953,34 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.01.2020 abzüglich auf die Bundesagentur für Arbeit zum Aktenzeichen 0000 übergegangener 2.742,90 EUR netto,
65an den Kläger zu zahlen.
66Die Beklagte beantragt,
67die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
68Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung und trägt ergänzend vor:
69Nach Ankündigung der Zwangsvollstreckung habe sie dem Kläger zur Abwendung derselben den Entwurf einer Vereinbarung vorab am 26. September 2019 übermittelt und dann am 1. Oktober 2019 überreicht. Danach habe der Kläger zu seinem bisherigen Entgelt mit einer seiner Qualifikation entsprechenden Tätigkeit betraut werden sollen. Der Kläger habe die Tätigkeit im Gespräch abgelehnt. Unzutreffend sei, dass Frau D. dem Kläger mitgeteilt habe, er müsse die Vereinbarung unterzeichnen, andernfalls verstoße er gegen „geltendes Arbeitsrecht“, müsse das Betriebsgelände verlassen und die Beklagte lehne generell eine Weiterbeschäftigung des Klägers ab.
70Ein Anspruch auf Annahmeverzugslohn stehe dem Kläger nicht zu. Das Angebot der Beklagten habe nicht auf eine freiwillige Prozessbeschäftigung gezielt. Für den Kläger sei erkennbar gewesen, dass sich die Beklagte ausschließlich dem Vollstreckungsdruck beugte. Der Kläger habe über einen Titel verfügt und die Prüfung der Zwangsvollstreckung angekündigt. Der Entwurf zur Regelung der Modalitäten zur vorläufigen Weiterbeschäftigung bilde die Rechtslage zur Erfüllung des Urteils während des Rechtsmittelverfahrens ab. Das ergebe sich aus dem Inhalt des Angebots, das in Ziffer 6 vorsehe, dass keine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall geleistet werde und in Ziffer 7, dass kein Urlaubsanspruch erworben, sondern lediglich eine unbezahlte Freistellung in Höhe von 2,5 Kalendertagen pro Beschäftigungsmonat gewährt werde. Dem Kläger sei die angeboten Beschäftigung nicht unzumutbar gewesen.
71Der Anspruch sei auch der Höhe nach nicht gegeben. Zuletzt habe der Kläger monatlich 6.666,67 Euro bezogen. Der Betrag erhöhe sich nicht zum 1. April 2019 aufgrund der Regelungen in Ziffer 2 des Arbeitsvertrages. Von Beginn bis dahin sei die Höhe abschließend vereinbart und entspreche mit der festgelegten Steigerung einer Erhöhung um 6,67%. Erst danach greife die Anwendung der tariflichen Gehaltssteigerungen, die sich indessen nicht prozentual, sondern betragsmäßig auswirke. Die Erhöhungen in den ersten beiden Jahren habe die Beklagte überobligatorisch gewährt.
72Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die Schriftsätze, die bezeichneten Anlagen und die Sitzungsniederschriften Bezug genommen, insbesondere die vom 26. Januar 2021 (Bl. 100ff.)

Entscheidungsgründe

73Die Berufung des Klägers ist überwiegend erfolgreich. Dem Kläger steht für den geltend gemachten Zeitraum Vergütung aus Ausnahmeverzug der Beklagten zu. Er muss sich lediglich das anrechnen lassen, was er an öffentlich-rechtlichen Leistungen infolge Arbeitslosigkeit erhalten hat, § 11 Ziff. 3 Satz 1 KSchG. Nicht anzurechnen ist, was er hätte verdienen können, wenn er sich auf den Abschluss der Vereinbarung über ein Prozessarbeitsverhältnis eingelassen und auf dieser Grundlage weitergearbeitet hätte. Der Kläger hat es nicht böswillig unterlassen, eine ihm zumutbare Arbeit anzunehmen i.S.v. § 11 Ziff. 2 KSchG. Der Anspruch ist indessen nicht in der geforderten Höhe gegeben.A
74Die Berufung ist an sich statthaft nach §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1, Abs. 2b) ArbGG, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 Euro übersteigt. Sie ist auch im Übrigen zulässig, weil sei frist– und formgerecht durch Schriftsatz der Gewerkschaft eingelegt und binnen antragsgemäß verlängerter Frist auch begründet wurde, § 66 Abs. 1, 11 Abs. 4, Abs. 2 Ziff. 4, 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. §§ 519, 520 Abs. 3 Satz 2 Ziff. 2 ZPO. Auf die diesbezüglichen Feststellungen im Sitzungsprotokoll vom 26. Januar 2021 wird Bezug genommen (Bl. 100).B
75Die Berufung ist auch überwiegend begründet, weil der Anspruch auf Annahmeverzugsvergütung für den Zeitraum Oktober 2019 bis Dezember 2019 gegeben ist (I.). Er beschränkt sich der Höhe nach allerdings auf die dem Kläger zuletzt gewährte Vergütung in Höhe von 6.666,67 Euro brutto monatlich abzüglich von der Bundesagentur für Arbeit bezogener 2.742,90 Euro (II.).I.
76Die Beklagte befand sich im Streitzeitraum in Annahmeverzug mit der Rechtsfolge des § 615 Satz 1 BGB. Danach kann der Kläger für die infolge des Verzugs nicht geleisteten Dienste die vereinbarte Vergütung verlangen, ohne zur Nachleistung verpflichtet zu sein. Denn nach der Entscheidung des Arbeitsgerichts vom 29. August 2019 war die Kündigung vom 15. Februar 2019 zum 30. September 2019 rechtsunwirksam. Deshalb besteht das Arbeitsverhältnis der Parteien fort. Der Kläger muss sich über das, was er unstreitig an öffentlich-rechtlichen Leistungen infolge Arbeitslosigkeit für die Zwischenzeit bis zum Wiederaufnahme der Tätigkeit am 1. Januar 2020 erhalten hat, nichts anrechnen lassen (§ 11 Ziff. 3 KSchG).
771. Mit dem Ausspruch der unwirksamen Kündigung kam die Beklagte mit der Annahme der Arbeitsleistung des Klägers in Verzug. Da in der Kündigung zugleich die Erklärung der Beklagten lag, sie werde die Leistung nach Ablauf der Kündigungsfrist nicht annehmen, bedurfte es keines Angebots des Klägers, §§ 295, 296 Satz 1 BGB (BAG 17. November 2011 – 5 AZR 564/10 – Rn. 13, juris; 27. August 2008 – 5 AZR 16/08 – Rn. 16, juris; 24. September 2003 – 5 AZR 500/02 – NZA 2004, 90ff.; Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht/Kiel, 21. Aufl. 2021 § 11 Kündigungsschutzgesetz Rn. 3).
78Zwar war das Urteil des Arbeitsgerichts bei Beginn des Annahmeverzuges am 1. Oktober 2019 noch nicht in Rechtskraft erwachsen, weil die Beklagte hiergegen Berufung einlegte. Mit deren Rücknahme stand die Unwirksamkeit der Kündigung aber fest.
79Der Annahmeverzug endet nicht dadurch, dass der Arbeitgeber für die Dauer des (weiteren) Kündigungsrechtsstreits einen befristeten neuen Arbeitsvertrag oder eine durch die rechtskräftige Feststellung der Wirksamkeit der Kündigung auflösend bedingte Fortsetzung des Vertrages anbietet. Denn der Arbeitgeber, der an der Kündigung – wie vorliegend – festhält, gibt das Arbeitsangebot nicht in Erfüllung des bisherigen Arbeitsvertrages ab (BAG 24. September 2003 – 5 AZR 500/02 – NZA 2004 90ff.; Linck/Krause/Bayreuther KSchG 16. Aufl. 2019 § 11 Rn. 23).
80Das hat die Beklagte in der Vereinbarung über ein befristetes Prozessarbeitsverhältnis, die sie dem Kläger angetragen hat, klargestellt. Danach hielt sie weiterhin an der Kündigung fest und wollte das bestehende Lohnfortzahlungsrisiko vermindern. Hinzu tritt, dass die vorgeschlagene Vereinbarung Abweichungen zum Arbeitsvertrag der Parteien, insbesondere hinsichtlich der Ansprüche auf Entgeltfortzahlung und Urlaub enthält. Auch die Beklagte macht nicht geltend, sie habe vertragsgerechte Arbeit zwecks Erfüllung des bestehenden Arbeitsvertrages angeboten und damit den Annahmeverzug beendet (vgl. BAG 7. Februar 2007 – 5 AZR 422/06 – Rn. 16 juris).
812. Nach § 11 Satz 1 Nr. 2 KSchG unterliegt das Arbeitsentgelt, das der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer für die Zeit nach der Entlassung schuldet, der Anrechnung im Umfang des Verdienstes, den der Arbeitnehmer hätte erzielen können, wenn er es nicht böswillig unterlassen hätte, eine ihm zumutbare Arbeit anzunehmen. Die Vorschrift unterscheidet sich zwar nach ihrem Wortlaut von § 615 Satz 2 BGB, ist aber inhaltlich deckungsgleich. Gesetzliche Folge ist die Anrechnung des hypothetischen Verdienstes. Der Arbeitgeber wird von seiner Zahlungspflicht befreit, ohne dass es einer Anrechnungserklärung bedarf (BAG 24. September 2003 – 5 AZR 500/02 – NZA 2004 90ff. unter II. 1. der Gründe; 16. Mai 2000, BAGE 94, 343 (345) = NZA 2001, 26).
82a) Beide Bestimmungen stellen darauf ab, ob dem Arbeitnehmer nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) sowie unter Beachtung des Grundrechts auf freie Arbeitsplatzwahl (Art. 12 GG) die Aufnahme einer anderweitigen Arbeit zumutbar ist. Dabei kommt eine Anrechnung auch in Betracht, wenn die Beschäftigungsmöglichkeit bei dem Arbeitgeber besteht, der sich bei der Annahme der Dienste des Arbeitnehmers in Verzug befindet. Maßgebend sind die Umstände des Einzelfalls.
83Die Unzumutbarkeit der Arbeit kann sich unter verschiedenen Gesichtspunkten ergeben. Sie kann ihren Grund in der Person des Arbeitgebers, der Art der Arbeit und den sonstigen Arbeitsbedingungen haben. Auch vertragsrechtliche Umstände sind zu berücksichtigen. Allerdings ist die nicht vertragsgemäße Arbeit nicht ohne Weiteres mit unzumutbarer Arbeit gleichzusetzen. Wie § 615 Satz 2 BGB schließt § 11 Satz 1 Nr. 2 KSchG den Fall mit ein, dass der Arbeitgeber nur vertragswidrige Arbeit anbietet. Denn das Angebot vertragsgerechter Arbeit zwecks Erfüllung des bestehenden Arbeitsverhältnisses würde den Annahmeverzug beenden. Vielmehr handelt der Arbeitnehmer böswillig, dem ein Vorwurf daraus gemacht werden kann, dass er während des Annahmeverzugs trotz Kenntnis aller objektiven Umstände vorsätzlich untätig bleibt oder die Aufnahme der Arbeit bewusst verhindert (BAG 17. November 2011 – 5 AZR 564/10 – Rn. 17, juris m.w.N.) Weder reicht fahrlässiges Verhalten aus noch wird eine Absicht verlangt, dem Arbeitgeber einen Schaden zuzufügen. Es genügt das vorsätzliche Außerachtlassen einer dem Arbeitnehmer bekannten Gelegenheit zur Erwerbsarbeit. Die Ablehnung eines angebotenen Arbeitsplatzes begründet keine Böswilligkeit, wenn der Arbeitnehmer dafür einen sachlichen Grund aufweisen kann (Erfurter Kommentar/Kiel § 11 KSchG Rn. 7).
84b) Bietet der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer bis zur Rechtskraft des Urteils im Kündigungsschutzprozess ein befristetes Prozessarbeitsverhältnis an, kann in der Ablehnung eines solchen Angebots ein böswilliges Unterlassen anderweitigen Erwerbs gesehen werden (Erfurter Kommentar/Kiel § 11 KSchG Rn 9; Münchener Kommentar zum BGB 8. Aufl. 2020/Hergenröder § 11 KSchG Rn. 23).
85aa) Das böswillige Unterlassen zumutbaren Erwerbs i.S.d. § 11 Nr. 2 KSchG wird man regelmäßig dann zu bejahen haben, wenn der Arbeitnehmer einerseits die vorläufige Weiterbeschäftigung begehrt, andererseits aber das entsprechende Angebot des Arbeitgebers ablehnt. Das gilt erst Recht nach einem insoweit obsiegenden Urteil, das dem Arbeitgeber auferlegt, den Arbeitnehmer für die Dauer des Kündigungsschutzprozesses weiter zu beschäftigen (Münchener Kommentar zum BGB/Hergenröder § 11 KSchG Rn. 24 m.w.N). Es muss demjenigen Arbeitnehmer, der mit seiner Kündigungsschutzklage nicht nur die Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung begehrt, sondern darüber hinaus einen Leistungsantrag auf Weiterbeschäftigung stellt, regelmäßig zumutbar sein, auf seinem früheren Arbeitsplatz vorläufig weiter zu arbeiten, selbst wenn die Kündigung – auch – verhaltensbedingt war. Ein solcher Arbeitnehmer gibt nämlich gerade durch die Formulierung seiner Anträge zu erkennen, dass er die bisherige Arbeit auch vor dem rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzprozesses weiter verrichten möchte. Er stellt dabei sein Weiterbeschäftigungsinteresse über sein eventuelles Interesse an Rehabilitation. Die Ablehnung dieses Arbeitsangebots widerspricht dann dem vom Arbeitnehmer selbst geäußerten Wunsch auf Weiterbeschäftigung und stellt ein böswilliges Verhalten dar (LAG Köln 12. Dezember 1995 – 6 Sa 933/95 – Beck Online).
86bb) Nach der Rechtsprechung des BAG (24. September 2003 – 5 AZR 500/02 – NZA 2004, 90ff.) ergeben sich Zumutbarkeitsbedenken nicht aus den mit einer bloßen Prozessbeschäftigung verbundenen Unsicherheiten. Die fehlende Vertragsgrundlage und die damit verbundene Rückabwicklung nach Bereicherungsgrundsätzen bei wirksamer Kündigung sind nicht für sich genommen unzumutbar. Sie ändern nichts daran, dass Vergütung erzielt werden kann. Nach § 11 Satz 1 Nr. 2 KSchG ist der Arbeitnehmer gehalten, „zumutbare Arbeit“, nicht notwendig ein Arbeitsverhältnis anzunehmen. Das Bundesarbeitsgericht hat auch berücksichtigt, dass der dortige – aus verhaltensbedingten Gründen gekündigte – Kläger in Kenntnis aller Umstände die Verurteilung der Beklagten zur vorläufigen Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsrechtsstreits beantragt und erwirkt und mit der Antragstellung bekundet hatte, dass ihm die vorläufige Weiterbeschäftigung zumutbar sei.
873. Nach diesen Grundsätzen ist das Arbeitsgericht davon ausgegangen, der Kläger müsse sich vorwerfen lassen, er habe die Aufnahme der Arbeit bei der Beklagten bewusst verhindert, weil er sich auf die Vereinbarung über ein befristetes Prozessarbeitsverhältnis nicht eingelassen habe.
88Dem vermag sich die Kammer nicht anzuschließen, weil das den Besonderheiten des Falles nicht gerecht wird. Diese liegen darin, dass der Kläger auf der Grundlage des erwirkten Beschäftigungstitels weiterarbeiten wollte, die Beklage jedoch darauf beharrte, dass es vor Aufnahme der Arbeit zu der Vereinbarung über ein befristetes Prozessarbeitsverhältnis komme.
89a) Die Beklagte wollte mit der Vereinbarung über ein befristetes Prozessarbeitsverhältnis nicht lediglich die vom Kläger angekündigte Vollstreckung des titulierten Weiterbeschäftigungsanspruchs abwenden. Sie hat dem Kläger vielmehr unabhängig von der Beschäftigungspflicht, die sich aus dem vorläufig vollstreckbaren Urteil (§ 62 Abs. 1 Satz 1 ArbGG) ergab, ein durch die rechtskräftige Entscheidung über die Kündigung vom 15. Februar 2019 auflösend bedingtes Arbeitsverhältnis angeboten.
90aa) Ein Arbeitsverhältnis wird grundsätzlich durch einen Arbeitsvertrag begründet. Verträge kommen durch auf den Vertragsschluss gerichtete, einander entsprechende Willenserklärungen zustande, indem das Angebot („Antrag“) gem. §§ 145ff. BGB angenommen wird. Eine Willenserklärung ist eine Äußerung, die auf die Herbeiführung eines rechtsgeschäftlichen Erfolgs gerichtet ist. Ob eine Äußerung oder ein schlüssiges Verhalten als Willenserklärung zu verstehen ist, bedarf der Auslegung. Nach §§ 133, 157 BGB sind Verträge so auszulegen, wie sie die Parteien nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen mussten, wobei vom Wortlaut auszugehen ist. Zur Ermittlung des wirklichen Willens der Parteien sind auch die außerhalb der Vereinbarung liegenden Umstände einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen. Vor allem sind die bestehende Interessenlage und der mit dem Rechtsgeschäft verfolgte Zweck zu berücksichtigen.
91Diese Grundsätze sind auch bei der Frage anzuwenden, ob ein bestimmtes, willentliches Verhalten eine Willenserklärung darstellt. Ob einer tatsächlichen Weiterbeschäftigung des Arbeitgebers nach Ablauf der Kündigungsfrist bzw. dem Ende der Befristung ein befristeter Vertrag zugrunde liegt, ist durch Auslegung der ausdrücklichen oder konkludenten Erklärungen der Parteien zu ermitteln (BAG 22. Juli 2014 – 9 AZR 1066/12 – Rn. 13,14, juris).
921) In dem dieser Entscheidung zugrundeliegenden Fall hatte der Kläger mit der Befristungskontrollklage keine Weiterbeschäftigung begehrt, aber nach einer stattgebenden Entscheidung die Beklagte zur Weiterbeschäftigung aufgefordert, andernfalls er umgehend beim Arbeitsgericht die Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung anhängig machen werde. Das beklagte Land hatte daraufhin mitgeteilt, der Kläger werde bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits aufgrund des von der Rechtsprechung entwickelten allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruchs beschäftigt. Es werde somit kein eigenständiges Arbeitsverhältnis begründet oder das befristete Arbeitsverhältnis über den Fristablauf hinaus fortgesetzt. Das Bundesarbeitsgericht hat die Annahme eines Vertrages schon nach dem Wortlaut der arbeitgeberseitigen Erklärung, aber auch einen konkludenten Vertragsschluss abgelehnt.
93(2) In der Entscheidung vom 24. September 2003 (- 5 AZR 500/02 – NZA 2004 90ff.) war die Beklagte antragsgemäß zur Weiterbeschäftigung des Klägers verurteilt worden und forderte jenen auf, die Beschäftigung mit sofortiger Wirkung wiederaufzunehmen, was nicht als normale Weiterbeschäftigung zu verstehen sei, sondern als „Prozessbeschäftigung geltend bis zum rechtskräftige Abschluss des Verfahrens“. Der Kläger hielt sich zu der Annahme eines Prozessarbeitsverhältnisses nicht verpflichtet.
94Das BAG entschied, dass die Beklagte dem Kläger kein Angebot unterbreitet habe, ein Arbeitsverhältnis entsprechend den bisherigen beiderseitigen Leistungspflichten auflösend bedingt oder befristet bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits einzugehen. Sie habe den Kläger lediglich aufgefordert, seine Beschäftigung entsprechend der arbeitsgerichtlichen Entscheidung wiederaufzunehmen. Sie habe sich bereit erklärt, das – vorläufig vollstreckbare – Urteil zum allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruch ohne Vollstreckungsmaßnahmen des Klägers zu befolgen und dem Kläger seinen bisherigen Arbeitsplatz bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsrechtsstreits wieder zur Verfügung zu stellen. Eine besondere vertragliche Grundlage hierfür habe sie mit der Aufforderung zur „Prozessbeschäftigung“ aufgrund des Teilurteils nicht angeboten. Diese Auslegung ergebe sich aus dem eindeutigen Wortlaut des Schreibens in Zusammenhang mit der damaligen Prozesssituation (BAG II. 3. d) aa) der Gründe).
95bb) Entgegen der Annahme des Arbeitsgerichts hat die Beklagte dem Kläger das Angebot zur Vereinbarung über ein befristetes Prozessarbeitsverhältnis nicht und schon gar nicht für den Kläger klar erkennbar zum Zwecke der Abwendung der Zwangsvollstreckung unterbreitet.
96Dagegen sprechen der Wortlaut und die sonstigen Umstände, die den Vertragsentwurf begleitet haben. Der vorliegende Fall unterscheidet sich von den Sachverhalten, die den vorstehend genannten Entscheidungen des BAG zugrunde lagen.
97(1) Ersichtlich ging es der Beklagte darum, die Beschäftigung des Klägers ab dem 1. Oktober 2019 auf eine vertragliche Grundlage zu stellen. Sonst hätte es schon gar keiner Vereinbarung bedurft. Zur Abwendung der Zwangsvollstreckung aus dem von dem Kläger erwirkten Titel hätte die Arbeitsaufforderung genügt. Die weiteren Rechtsfolgen sind abhängig von der Wirksamkeit oder Unwirksamkeit der Kündigung (vgl. Linck/Krause/Bayreuther § 4 KSchG Rn. 166ff.).
98(2) Auch der Wortlaut der Vereinbarung über ein befristetes Prozessarbeitsverhältnis spricht gegen die Annahme, die Beklagte habe die Zwangsvollstreckung aus dem Titel befürchtet und diese abwenden wollen. Zwar ist im Text die Rede davon, dass die Beklagte gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berufung einlegen werde. Das Angebot eines befristeten Prozessarbeitsverhältnisses sollte aber deswegen erfolgen, um das bestehende Lohnfortzahlungsrisiko zu vermindern. Dass die Beklagte einen – titulierten – Beschäftigungsanspruch des Klägers anerkennen und erfüllen wollte, ergibt sich aus dem Wortlaut der Vereinbarung gerade nicht, jedenfalls nicht mit der erforderlichen Deutlichkeit. Vielmehr wird unter 1. Beginn/Befristung ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Arbeitgeber das befristete Prozessarbeitsverhältnis anbiete, das spätestens durch eine rechtskräftige Entscheidung auflösend bedingt sei, um das Annahmeverzugslohnrisiko gem. § 615 BGB zu vermeiden.
99(3) Gegen die Annahme des Arbeitsgerichts, das Angebot der Beklagten habe der Anwendung der Zwangsvollstreckung gedient, spricht auch der zeitliche Ablauf, den der Kläger in der Berufungsbegründung näher dargestellt hat.
100Schrieb doch die Beklagte unter dem 26. September 2019 um 15:10 Uhr an den Bevollmächtigten des Klägers (Bl. 67):
101Sehr geehrter Herr R.,anbei erhalten Sie unser Angebot zur Begründung eines Prozessarbeitsverhältnisses.
102Bitte prüfen Sie dies und reichen Sie, wenn Sie damit einverstanden sind, ein unterzeichnetes Exemplar bis zum 30.09.2019 zurück.(…)
103Erst im Anschluss daran um 16:47 Uhr antwortete der Bevollmächtigte unter Hinweis auf den gewonnenen Prozess und die Pflicht, den Kläger zu unveränderten Bedingungen als Qualitätsmanager weiter zu beschäftigen, bestehe keine Notwendigkeit eine gesonderte Vereinbarung über ein befristetes Prozessarbeitsverhältnis abzuschließen. Die Beklagte wurde aufgefordert, den Kläger als Qualitätsmanager weiter zu beschäftigen, ansonsten geprüft werden müsse, ob die Zwangsvollstreckung einzuleiten sei.
104Auch das spricht dafür, dass es der Beklagten darauf ankam, die Beschäftigung auf eine vertragliche und von der titulierten Verpflichtung unabhängige Grundlage zu stellen.
105(4) Soweit der Beklagtenvertreter im Termin darauf hingewiesen hat, im Schreiben des damaligen Klägervertreters sei von einer nochmaligen Aufforderung die Rede, ergibt sich zwar aus dem Schreiben selbst, dass der Kläger bereits vor dem 26. September 2019 persönlich vor Ort den Beschäftigungsanspruch geltend gemacht hat.
106Das spricht aber nicht hinreichend dafür, dass es der Beklagten darum gegangen wäre, den titulierten Anspruch abzusichern und die Zwangsvollstreckung zu vermeiden. Denn nach den schriftsätzlichen Ausführungen des Klägers in der Berufungsbegründung und seinen persönlichen Einlassungen im Termin, ist die Kammer davon überzeugt, dass die Beklagte am 1. Oktober 2019 nicht bereit war, den Kläger unabhängig vom Abschluss der Vereinbarung über ein befristetes Prozessarbeitsverhältnis zu beschäftigen, § 286 Abs. 1 ZPO.
107(5) Nach dem maßgeblichen Empfängerhorizont ist deshalb davon auszugehen, dass die Beklagte dem Kläger ein eigenständiges Vertragsangebot zur Grundlage der weiteren Beschäftigung unterbreitet hat. Dafür spricht auch, dass die Beklagte im Schriftsatz vom 20. März 2020 ausgeführt hat (Bl. 76, 77 der Akte des ArbG):
108Zwischen den Parteien lag in der Zeit ab 1.10. bis 31.12.2020 keine rechtskräftige Entscheidung vor, kraft deren die Beklage verpflichtet war, den Kläger in seiner ursprünglichen Tätigkeit weiter zu beschäftigen, die Beklagte hatte gegen die erstinstanzliche Entscheidung des Arbeitsgerichts Crailsheim 7 Ca 92/19 vor dem Landesarbeitsgericht unter dem Aktenzeichen 4 Sa 81/19 Berufung eingelegt.
109Annahmeverzugsansprüche aus § 615 Satz 1 BGB bestehen nicht bzw. sind aus § 615 Satz 2 BGB entfallen, da die Beklagte dem Kläger in der fraglichen Zeit ein zumutbares Prozessbeschäftigung zu den Konditionen des Ursprungsvertrags ab dem 03.10.219 angeboten hat.
110siehe Vereinbarung im Anhang 1
111Dieses Beschäftigungsverhältnis, aus dem der Kläger die vertraglichen Vergütung erzielt hätte, der Kläger ausdrücklich abgelehnt (…)
112Der erste Absatz spricht dafür, dass sich die Beklagte ihrer titulierten Beschäftigungspflicht bis zur Rechtskraft der Entscheidung nicht bewusst war.
113(6) Gegen die Annahme einer beabsichtigten vertraglichen Grundlage zur Beschäftigung des Klägers spricht auch nicht, dass die Beklagte meint, in einem (beiderseits freiwilligen) Prozessarbeitsverhältnis die von der Rechtsprechung des BAG entwickelten Folgen bei der Rückabwicklung der wechselseitigen Ansprüche im Falle einer letztlich wirksamen Kündigung antizipieren zu können. Gegen die Wirksamkeit einer solchen Regelung bestehen Bedenken.
1144. Dem Kläger kann nicht angelastet werden, dass er sich geweigert hat, die Vereinbarung über ein befristetes Prozessarbeitsverhältnis zu unterzeichnen. Dem Kläger kann kein Vorwurf gemacht werden, er habe vorsätzlich ohne ausreichenden Grund Arbeit abgelehnt oder vorsätzlich verhindert, dass ihm Arbeit angeboten werden.
115a) Der Kläger ist nicht untätig geblieben, sondern hat seine Arbeitskraft wohl schon vor dem 26. September 2019 vor Ort, mit Schreiben vom 26. und vom 30. September 2019 sowie am 1. Oktober 2019 tatsächlich vor Ort angeboten.
116Der Kläger hat darüber hinaus die Zwangsvollstreckung gegen die Beklagte im streitigen Zeitraum eingeleitet, um seinen titulierten Beschäftigungsanspruch zu realisieren. Dazu war der Kläger nicht einmal verpflichtet (BAG 22. Februar 2000 – 9 AZR 194/99 – NZA 2000, 817ff.). § 11 Satz 1 Nr. 2 KSchG beinhaltet zwar grundsätzlich eine Obliegenheit zum eigenen Tätigwerden, wenn sich eine realistische Arbeitsmöglichkeit bietet (BAG 22. März 2017, NZA 2017, 988 Rn. 27). Geht es aber um eine Arbeitsmöglichkeit bei dem bisherigen Arbeitgeber, kann der Arbeitnehmer regelmäßig abwarten, ob ihm eine zumutbare Arbeit angeboten wird (BAG 11. Januar 2006, NZA 2006, 314).
117Darüber hinaus besteht eine entsprechende Beschäftigungspflicht des Arbeitgebers auch ohne ein entsprechendes klagestattgebendes Urteil, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen des allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruchs erfüllt sind. Es bedarf deshalb nicht einmal eines Klageantrags auf Weiterbeschäftigung, wenn der Arbeitnehmer mit der Bestandsschutzstreitigkeit obsiegt (vgl. BAG 22. Juli 2014 – 9 AZR 1066/12 – Rn. 19, juris).
118b) Der Kläger hat die Tätigkeit als solche auch nicht abgelehnt, weil sie nicht der eines Qualitätsmanagers entspreche.
119Nach den übereinstimmenden Angaben der Parteien im Termin vom 26. Januar 2021 hatte die Beklagte dem Kläger bereits zuvor auf die Position in der Anlagenqualifizierung versetzt, weil sie die Aufgaben des Qualitätsmanagements auf ein anderes Unternehmen übertragen hatte. Nach den Angaben des Klägers sei dies bereits zum 2. Juli 2018 geschehen.
120c) Ein böswilliges Unterlassen ist nicht darin zu sehen, dass sich der Kläger geweigert hat, eine schriftliche Vereinbarung über ein Prozessarbeitsverhältnis zu schließen. Das hat zwar das Landesarbeitsgericht Niedersachsen (30. September 2003 – 13 Sa 570/03 – AP BGB § 615 Böswilligkeit Nr. 9) unter Hinweis auf das Schriftformerfordernis der §§ 21, 14 Abs. 4 TzBfG und aus Gründen der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit im Interesse beider Vertragsparteien angenommen. Hat aber ein Arbeitnehmer – wie hier – einen vollstreckbaren Weiterbeschäftigungstitel, kann der Arbeitgeber von ihm den Abschluss eines Prozessarbeitsverhältnisses mit ggf. abweichendem Inhalt nicht verlangen. Wollte man in einem solchen Fall den Arbeitnehmer für verpflichtet halten, sich auf eine Prozessbeschäftigung auf vertraglicher Grundlage einzulassen, würde der durch die gefestigte Rechtsprechung abgesicherte allgemeine Weiterbeschäftigungsanspruch nach obsiegenden Urteil im Kündigungsschutzverfahren entwertet. Der Arbeitnehmer handelt nicht böswillig, wenn er darauf besteht, nur aufgrund des Titels tätig zu werden.
121Sollte sich die Beklagte außer Standes gesehen haben, den Beschäftigungsanspruch als Qualitätsmanager zu erfüllen, hätte sie entsprechende Einwendungen bereits im Kündigungsschutzrechtsstreit vorbringen müssen.II.
122Der Anspruch auf Annahmeverzugsvergütung besteht jedoch nur in Höhe von 6.666,67 Euro brutto monatlich abzüglich des bezogenen Arbeitslosengeldes. Dem Kläger steht kein Anspruch auf eine um 4,3% erhöhte Vergütung unter Anwendung der tariflichen Entgelterhöhung zum 1. April 2018 zu.
1231. Ab April 2019 schuldet die Beklagte nach Ziff. 2 Satz 2 des Arbeitsvertrages der Parteien ein Jahresgehalt von 80.000,00 Euro brutto, was 6.666,67 Euro monatlich entspricht.
124Der Kläger kann keine Erhöhung um 4,3% entsprechend der zum 1. April 2018 eingetretenen Tariflohnerhöhung verlangen. Die Annahme, Ziff. 2 Satz 2 und Satz 5 des Arbeitsvertrages seien so zu verstehen, dass die zum 1. April 2019 vertraglich vereinbarte Steigerung des Jahresgehaltes rückwirkend von der ein Jahr zuvor wirkenden tariflichen Erhöhung gleichsam überholt werde, entbehrt der Logik. Denn die Parteien haben mit Ziff. 2 Satz 2 des Arbeitsvertrages eine eigenständige Gehaltserhöhung vereinbart, die die Gehaltsvorstellung des Klägers absichern sollte. Dieser Betrag ist Gegenstand künftiger Erhöhungen, die auf den Erhöhungsbetrag der Gehaltsgruppe T6/4 begrenzt sind.
125Nach Ziff. 2 Satz 2 des Arbeitsvertrages sollte sich zum 1. April 2019 das – ggf. durch Tariferhöhungen bereits gesteigerte – Jahresgehalt nach Satz 1 auf den Betrag von 80.000,00 Euro brutto jährlich steigern. Die Annahme ist fernliegend, die Parteien hätten Tariferhöhungen nicht nur auf die aktuell geschuldete Vergütung anwenden wollen, sondern auch auf einen künftig geschuldeten Betrag, mit dem eine eigenständige Erhöhung verbunden ist.
126Im Übrigen wird auf das Urteil der Kammer vom 26. Januar 2021 – 19 Sa 50/20 – Bezug genommen.
1272. Der Zinsanspruch ergibt sich aus den §§ 286, 288 BGB i.V.m. der Fälligkeitsregelung nach Ziff. 2 Satz 4 des Arbeitsvertrages (Ende eines Kalendermonats).
128Auf die begründete Berufung des Klägers war deshalb das Urteil des Arbeitsgerichts teilweise abzuändern. Daraus ergibt sich die Zurückweisung der Berufung im Übrigen, was im Tenor der Entscheidung nicht explizit ausgesprochen wurde.C
129Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, weil sie im Wesentlichen unterlegen ist, § 92 Abs. 2 Ziff. 1 ZPO. Die Zulassung der Revision beruht auf § 72 Abs. 2 Ziff. 1 ArbGG. Ob ein Arbeitnehmer trotz ausgeurteilter Beschäftigungspflicht des Arbeitgebers zum Erhalt der Ansprüche auf Verzugslohn eine Vereinbarung über ein Prozessarbeitsverhältnis eingehen muss, bedarf der Klärung.